Die Schätzungen erreichen bereits astronomische Höhen, und sie steigen von Tag zu Tag: Der Wiederaufbau der Ukraine nach Ende dieses furchtbaren Kriegs wird hunderte Milliarden Euro kosten. Dieses Geld wird aus dem Westen kommen, genauso wie die finanzielle Unterstützung während des Kriegs. Aber es gibt keinen Grund, dass die Rechnung bei Westeuropäern und Nordamerikanerinnen hängenbleibt. Es ist Russland, das die Verwüstungen anrichtet; es ist Russland, das für den Wiederaufbau wird zahlen müssen.

Zum Glück ist niemand dafür auf den guten Willen des Kreml angewiesen. Denn das Geld liegt bereits im Westen – auf Konten von Geschäfts- und Zentralbanken oder in Form von Immobilien und Luxusyachten. Die Staaten müssen nur zugreifen – und die Debatte darüber wird täglich lauter. Zuletzt war es der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der ein solches Vorgehen eingefordert hat.

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Der Wiederaufbau der Ukraine nach Ende dieses furchtbaren Kriegs wird hunderte Milliarden Euro kosten.
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Die Beschlagnahme von rund 300 Milliarden Dollar an russischen Währungsreserven sowie der Vermögen Kreml-treuer Oligarchen wäre ein ungewöhnlicher Schritt. Aber er ist machbar und würde weder das Völkerrecht noch nationale Rechtsordnungen verletzen. Mit den Reparationen, die Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg auferlegt wurden, ist es nicht vergleichbar, denn einfache Russinnen und Russen müssten nichts hergeben. Es geht um die über Jahre angesammelten Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas, für deren Förderung das Land kaum etwas geleistet hat.

Nutzung der Vermögen

Am leichtesten ist die Beschlagnahme und Zweckwidmung der russischen Währungsreserven, von denen Wladimir Putin rund 300 Milliarden Dollar westlichen Zentralbanken anvertraut hat, einen bedeutenden Anteil davon der Nationalbank in Wien. Hier müssten die einzelnen Staaten Gesetze verabschieden, aber dies innerhalb der EU und mit den USA gut koordinieren, damit niemand aus Angst vor Putins Rache ausschert. Dieser wird Direktinvestitionen in Russland im Gegenzug sicher enteignen. Aber diese sind durch Krieg und Sanktionen ohnehin fast wertlos geworden.

Rechtlich und politisch komplexer ist die Nutzung der Vermögen sanktionierter Oligarchen. Diese müssen erst aufgespürt und zugeordnet werden, wobei das Gestrüpp an Briefkastenfirmen, durch die auch westliche Milliardenvermögen versteckt und gewaschen werden, die Aufgabe erschwert. Um an dieses Geld zu kommen, sind schärfere Gesetze und ein erhöhter Personaleinsatz notwendig, wie es Deutschland nun vorzeigt. Österreich sollte diesem Beispiel folgen.

Wünschenswert wäre auch, dass die Gerichte nicht aus Respekt vor Eigentumsrechten dem Staat Prügel in den Weg legen. Auch bei nicht eindeutig belegten Besitzverhältnissen müssen die Behörden zugreifen können.

Die Zeit ist gekommen, nicht nur über all das zu reden, sondern auch zu handeln. Denn die juristische Umsetzung ist langwierig. Und klare Gesetze wären ein Signal an Putin, dass jede Rakete, die er abfeuert, seine spätere Rechnung erhöht. (Eric Frey, 15.5.2022)