Für die Kinder und Jugendlichen, die in der Klinik Hietzing psychiatrische Hilfe suchen, soll es nun Hilfe von externem Fachpersonal geben.

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Aggressive Kinder, die ihr Umfeld gefährden. Eine Jugendliche, die nicht mehr leben will. Ein Bub, dessen Magersucht lebensbedrohlich ist. Das sind Beispiele für Patientinnen und Patienten, die an der Kinder- und Jugendpsychiatrie in einem Krankenhaus einen Platz brauchen. Wie berichtet steht die Versorgung in diesem Bereich in Wien auf tönernen Füßen.

Denn es gibt in der Bundeshauptstadt nur zwei bettenführende Abteilungen dieses Fachs, in denen also junge Patientinnen und Patienten in einer akuten Krise über Nacht aufgenommen werden können. Sie befinden sich an der Klinik Hietzing und am AKH. In einer dieser zwei Abteilungen – in Hietzing – fehlt es massiv an Ärztinnen und Ärzten des Fachs Kinder- und Jugendpsychiatrie, dessen Absolventen europaweit händeringend gesucht werden. In den vergangenen Monaten kam es zu mehreren Kündigungen, auch das Primariat ist seit zwei Jahren vakant, und ab dem Sommer sind dann nur mehr vier Vollzeitäquivalente an der Abteilung tätig.

"Wochenklinik" ohne Betrieb am Wochenende?

Dieser Facharztschwund hat zur Folge, dass bereits im Raum stand, die Hietzinger Kinderpsychiatrie ab Juli am Wochenende zuzusperren und in eine "Wochenklinik" umzuwandeln. Betroffene wären dann vor dem Wochenende zu entlassen oder ins AKH zu transferieren gewesen. Von der Abteilung am AKH hieß es, dass man diesen Bedarf nicht hätte abfangen können, weshalb es auch zur Aufnahme an Erwachsenenpsychiatrien gekommen wäre.

Das Szenario der Wochenendsperre ist inzwischen wieder vom Tisch, erfuhr DER STANDARD nun aus informierten Kreisen. Nun wolle man demnach mit fünf externen Kräften – Erwachsenenpsychiatern – offene Lücken im Facharztdienstplan schließen. Zum Beispiel kämen diese vom Psychosozialen Dienst (PSD). Beim Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) heißt es dazu nur schwammig, dass es in der Tat "Kooperationspartner aus dem niedergelassenen Bereich" gebe, die dabei helfen, den Dienstbetrieb auch in den Sommermonaten aufrechtzuerhalten.

Weiters würden Assistenzärztinnen und Assistenzärzte der Kinder- und Jugendpsychiatrie bis zur Stabilisierung der Situation an den Rosenhügel zugeteilt und dort ab Juni ihren Dienst versehen. Das bedeutet, dass die Klinik Floridsdorf, wo es ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Betreuung gibt (aber eben keine Station mit Betten wie in Hietzing), so lange auf Assistenzärzte verzichten muss.

Aufsuchende psychiatrische Familienhilfe

Wie soll es langfristig weitergehen? Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte zum STANDARD, dass viele Fälle im stationären Bereich eigentlich davor – also im niedergelassenen und im ambulanten Sektor – abgefangen werden müssten. Wien habe da schon Projekte (etwa aufsuchende psychiatrische Betreuung in den Familien). Da werde man weiter ansetzen müssen.

Der Wigev verweist zudem auf eine "Taskforce Kinder- und Jugendpsychiatrie", die eingerichtet worden sei und in der Expertinnen und Experten aller betroffenen Berufsgruppen und Versorgungsstrukturen vertreten seien. Zudem gebe es für die Suche nach Fachärztinnen und Fachärzten "intensive Recruitingmaßnahmen, einen Ausbau des multiprofessionellen Personaleinsatzes sowie europaweites Headhunting".

Hacker kritisiert Versorgungsschieflage

Hacker sieht auch Handlungsbedarf in Sachen Wahl- und Kassenärzte: Dass es in Wien rund 40 niedergelassen tätige Ärzte des Fachs Kinder- und Jugendpsychiatrie gebe und von diesen nur fünf einen Kassenvertrag hätten, sei eine Schieflage, die man so nicht bestehen lassen könne. Hier müssten sich Kasse und Ärztekammer etwas überlegen.

Es sei auch die Frage, ob die Bundesländer dabei nicht ein Mitspracherecht einfordern sollten. Denn die Länder würden hier nur das Ergebnis ernten. Eine weitere Schieflage sei, dass der niedergelassene Sektor im Vergleich zum Spitalsbereich derzeit 60 Prozent des Geldes bekomme, aber nicht 60 Prozent der Leistungen erbringe. (Gudrun Springer, 16.5.2022)