Geht es nach der Stadt Wien, soll eine reguläre Einfahrt in die Innenstadt künftig deutlich begrenzt werden. Überwacht werden soll das Ganze von vernetzten Kameras.

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Das Projekt ist im rot-pinken Wiener Koalitionspapier paktiert: Um den Verkehr in der Innenstadt deutlich zu reduzieren, will Wien ein rechtskonformes Modell von Einfahrtsregeln entwickeln. Pro Werktag werden nach Angaben der Stadt rund 50.000 Ein- und Ausfahrten registriert. Ziel ist, dass bis auf wenige Ausnahmen künftig nur noch Anrainer in Bereiche innerhalb des Rings fahren können. Alle anderen müssen Parkgaragen ansteuern.

Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) hat bereits angekündigt, dass eine Überwachung mittels Kameras und Kennzeichenerfassungssystem geplant ist. Das im Herbst 2020 getroffene Übereinkommen von SPÖ und Neos hält dazu deutlich fest: "Bis 2022 soll die Neuregelung umgesetzt werden." Doch dazu wird es nach STANDARD-Informationen nicht kommen.

Das Vorhaben verzögert sich, weil es derzeit für den Einsatz dieser Kameras zur Überwachung der Zufahrt noch keine Rechtsgrundlage gibt. Diese müsste in der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt werden, zuständig ist die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler. Sima drängt darauf, dass dies bald geschieht. Vor einer Gesetzesnovelle sind aber laut Ministerium "noch weitere Klärungen notwendig, insbesondere im Bereich des Datenschutzes", wie es auf Anfrage zum STANDARD heißt. Konkret werde erst ein Rechtsgutachten in enger Abstimmung mit dem Städtebund in Auftrag gegeben, das eine Basis für eine mögliche Novelle legen soll. Dieses Gutachten soll "in den nächsten Monaten" – also wohl noch im Sommer 2022 – vorliegen.

Kritik von Datenschützern

Es ist jedenfalls eine heikle Materie: So verweist das Verkehrsministerium auch darauf, dass datenschutzrechtliche Problemstellungen ernst zu nehmen seien. Heftige Kritik hatten Anfang Mai Datenschützer und Menschenrechtsorganisationen geäußert: In einem offenen Brief an Gewessler und Sima warnten diese "vor den negativen Konsequenzen für unsere Grund- und Menschenrechte".

Sie bezweifelten, dass mit den Kameras nur Kennzeichen von Autos erfasst werden – und nicht auch Fußgänger und Radfahrer. Und: Der gesammelte Datenberg könne Begehrlichkeiten von Behörden wecken.

Verkehrsstadträtin Sima kann diese Bedenken nicht nachvollziehen. "Wer nun gegen die kamerabasierte Kontrolle vorgeht, gefährdet ein innovatives Klimaschutzprojekt", heißt es aus ihrem Büro. Verwiesen wird auf andere europäische Städte, die schon eine Verkehrsüberwachung mit Kameras hätten. Außerdem gebe es bereits auf österreichischen Autobahnen eine Section-Control sowie auch Kennzeichenfeststellungen vor Ein- und Ausfahrten in Parkgaragen.

Konkret sollen künftig nur Anrainer des ersten Bezirks sowie jene in die Innenstadt zufahren können, die eine Parkgarage ansteuern. Ausnahmen, so der Plan der Stadt, sind sonst nur für Taxis, Zulieferer, Müllabfuhr und Einsatzfahrzeuge vorgesehen. Laut der Grundrechtsorganisation Epicenter Works sind an fast allen der 38 Zufahrten vom Ring Kameras geplant: Fährt eine nicht zufahrtsberechtigte Person in die City und nicht innerhalb von 30 Minuten wieder hinaus, soll gestraft werden. Diese Informationen werden von der Stadt nicht bestätigt. Details werden aktuell in einer Machbarkeitsstudie untersucht, heißt es.

Diese Studie wurde auf Drängen des ersten Bezirks in Auftrag gegeben. Ergebnisse sollen im Sommer 2022 vorliegen, sagte der Mediensprecher von Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP). Dieser verweist aber auch darauf, dass sich vier Parteien im Bezirk (ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne) mit der Stadtregierung auf das Kennzeichenerfassungssystem als das am besten geeignete Modell geeinigt hätten.

Zeitplan wird erarbeitet

Im Rahmen der Studie sollen nicht nur die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen geprüft werden, sondern auch ein Zeitplan für eine Umsetzung erarbeitet werden. Allerdings räumt das Büro Sima ein: "Alles hängt aktuell an der StVO-Novelle, dann kann die Ausschreibung erfolgen." Damit liegt nach Ansicht Simas der Ball bei Gewessler.

Im Verkehrsministerium will man für eine Entscheidung keinen Zeithorizont nennen. Dort verweist man nur darauf, dass es nach einem etwaigen positiven Rechtsgutachten auch eine Begutachtungsfrist vor einer Gesetzesnovelle geben werde. Auch hier können dann Kritiker einer Kameralösung ihre Gegenpunkte einbringen.

Aber selbst nach der Gesetzesnovelle durch den Bund wäre das Projekt nicht sofort umsetzungsbereit: Für Ausschreibung und Vergabe des Einfahrtssystems rechnet Sima mit rund einem Jahr. Eine Einfahrtskontrolle mit Kameras könnte also frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2023 aktiviert werden – wenn überhaupt. Was das Projekt in der Umsetzung und im laufenden Betrieb kostet, steht noch nicht fest. Das könnte erst nach erfolgter Ausschreibung beantwortet werden, heißt es aus dem Büro Sima.

Erstes Konzept von Hebein

Noch vor der Wien-Wahl im Juni 2020 hatte die damalige grüne Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein ein erstes Konzept einer autofreien City präsentiert. Hier waren zahlreiche Ausnahmen vorgesehen – aber keine Überwachung der Einfahrt durch Kameras, sondern durch die Polizei. Die SPÖ bezeichnete dieses Modell aufgrund der "nicht umsetzbaren Überwachung" als gescheitert. (David Krutzler, 16.5.2022)