Die Volkspartei war zuletzt für Kadergehorsam bekannt, das Ergebnis ist trotzdem historisch: 100 Prozent der Delegierten stimmten für Karl Nehammer als neuen Obmann. Aber welche Schlüsse lassen sich aus dem Parteitag ziehen?

Ein strahlender Karl Nehammer freut sich über das 100-Prozent-Ergebnis.
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Erstens: Nehammer hat die ÖVP besser im Griff, als es oft den Anschein hatte. Als er die Volkspartei übernahm, gab es ständig Zwischenrufe aus den Ländern; die Umfragewerte sind schlecht, zwei Ministerinnen traten in der Woche vor dem Parteitag zurück. Doch Nehammers Ergebnis zeigt: Schwer unzufrieden ist in der Funktionärsbasis niemand.

Zweitens: Die ÖVP ist über Sebastian Kurz hinweg. Die Korruptionsermittlungen aus der Zeit seines Vorgängers belasten Nehammer bis heute. Viele in der ÖVP trauern um die türkisen Erfolge, doch offensichtlich wenige um Kurz – sonst wäre die Unterstützung für Nehammer nicht so groß. Am Parteitag witzelte Nehammer übers Chatten. Die Kommunikationsstrategie von Kurz setzt er fort: Die ÖVP sei das Opfer.

Drittens: Die Frage, wofür die ÖVP unter Nehammer steht, ist nicht beantwortet. Nehammer hielt auf dem Parteitag eine solide Rede, ein programmatischer Auftritt war es nicht. Ein klares inhaltliches Profil fehlt dem Kanzler weiterhin.

Denn schlussendlich reicht es nicht, schwarz-türkise Funktionärinnen und Funktionäre zu überzeugen, er wird irgendwann eine Nationalratswahl bestreiten müssen. Und dann haben die Österreicherinnen und Österreicher das Stimmrecht. (Katharina Mittelstaedt, 15.5.2022)