Oleh Psiuk, der Mann, der seien Frisur verdeckt.

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Im Turiner Pressezentrum wurde am Samstag nach dem ukrainischen Sieg beim Eurovision Song Contest (ESC) zuerst Happy Birthday gesungen. Am 16. Mai 1994 wurde nämlich Rapper Oleh Romanowitsch Psiuk in der westukrainischen Stadt Kalush als Sohn eines Maschinenbauingenieurs und einer Verkäuferin geboren. Der Wortkünstler, der in Turin vorgefeiert wurde, hat einiges hinter sich. Er arbeitete am Bau, studierte an der Universität in Lwiw und jobbte in einer Süßwarenfabrik.

Auch hatte er einen Kindheitstraum: einmal mit seinem Idol Eminem aufzutreten. So begann er 2009 Rap-Songs zu schreiben, feilte an seiner Technik und an den Reimmöglichkeiten der ukrainischen Sprache – und blieb nicht alleine: Mit Ihor Didentschuk und Johnny Strange gründete er die nach seiner Heimatstadt benannte Gruppe Kalush, die schließlich vom US-Hip-Hop-Label Def Jam unter Vertrag genommen wurde. Durch Kooperationen mit bekannten ukrainischen Künstlern folgten erste Hits, 2021 kam das Debütalbum heraus.

Mit dem nun in Turin siegreichen Kalush Orchestra wiederum wollte Oleh Hip-Hop mit traditionellen ukrainischen Folk-Elementen verbinden. Mit der Single Shtomber Vomber feierte man einen ersten Erfolg, mit der Nachfolgesingle Stefania bewarb man sich bei der ukrainischen Vorausscheidung für den ESC. Und: Das Ticket für Turin holt sich Psiuk auch dort vor allem dank des Publikums und nicht primär der Jury.

So kam es dann: Schon vor dem Krieg lag Stefania bei den Buchmachern unter den top fünf; als der Krieg ausbrach, wurde der Beitrag aber zum Topfavoriten. Psiuk betonte in Turin immer, dass er für Hip-Hop einerseits und für ukrainische Kultur und Musik andererseits angetreten sei, da Russland dies alles zerstören wolle. Für die Teilnahme in Turin bekam die Gruppe übrigens eine Ausnahmeregelung, um ausreisen zu können. Nur ein Mitglied des Orchesters musste ersetzt werden, weil es zur Verteidigung Kiews gebraucht wurde.

Nach dem Sieg in Turin will Psiuk erst einmal in die Ukraine zurückfahren, um mit seiner Mutter Stefania und seiner Freundin Geburtstag zu feiern und sich für Schutzräume und Kinder einzusetzen. Dafür hat Psiuk einen Verein gegründet. Für die Ukraine wird er nach dem ESC-Sieg vor allem ein Kämpfer an der kulturellen Front sein. Wie düster die Zeiten sind, zeigt aber die Tatsache, dass sogar der stellvertretende Nato-Generalsekretär Mircea Geoană zum Sieg gratuliert hat. (Marco Schreuder, 15.5.2022)