Arbeiten Sie für eine Zukunft, die Sinn stiftet und Freude bringt, die spannend und aufregend ist, fasziniert und inspiriert? Haben Sie mit Ihren innovativen Lösungen auch die Mittel und den Willen, den Fortschritt der Menschheit mitzugestalten? Ist für Sie "neu denken" kein Schlagwort, sondern eine Haltung? Gehen bei Ihnen Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Verhalten gegenüber der Gesellschaft, der Umwelt und der Wirtschaft Hand in Hand?

Unternehmensleitbilder: Anspruch und Wirklichkeit liegen oft weit auseinander.
Foto: Shutterstock

Es ist unwahrscheinlich, dass Sie sich anderen gegenüber so beschreiben würden, oder? Diese Sätze stammen nämlich aus den Leitbildern von Großkonzernen. In puncto zukunftsfähiges Wirtschaften legen diese ihre Latte sehr hoch; was sie davon umsetzen, ist eine andere Frage. Im Englischen gibt es schon einen Begriff dafür, wenn weichgespülte PR-Romantik wenig mit der Praxis korreliert: "purpose washing".

ESG-Ratings sind trendy

Börsennotierte Konzerne tun sich besonders schwer, ihr Selbstbild als verantwortungsvolle Akteure in die Wirklichkeit zu übersetzen. Ihre Manager hängen an den Ketten institutioneller Investoren, und diese haben meist nur kurzfristige Renditeziele im Auge. In dieser Welt sind die ESG-Standards (Environmental, Social, Governance) gerade im Trend. Das neue Kürzel hat Corporate Social Responsibility abgelöst und soll zu einer gesamtheitlicheren Evaluierung des unternehmerischen Handelns beitragen.

Eine ganze Reihe internationaler Agenturen bietet ESG-Analysen und -Ratings an. Eine Vielzahl von Konzernangestellten liefert – um gute Bewertungen zu erhalten – die entsprechenden Berichte und Daten. Pensions- und Hedgefonds wiederum behaupten, ihre Investmententscheidungen an diesen schönen, neuen Kriterien zu orientieren. Unsere Gesellschaften bleiben weiter in einem systemischen "Lock-in" gefangen, in dem Profitstreben und die Steigerung des Shareholder-Value die oberste Maxime ist. Das bringt uns an nicht mehr bewältigbare Belastungsgrenzen.

Konsumentscheidungen brechen das System nicht auf

Privateigentümer und Genossenschaften haben ein wenig mehr Handlungsspielraum, um nachhaltiger und sozialer zu wirtschaften. Aber auch sie müssen sich auf einem Markt bewähren, der langfristiges Denken nicht belohnt. Wir Konsumenten mögen dort und da ethische Konsumentscheidungen treffen, doch in einer Zeit hoher Inflation können sich viele das gar nicht mehr leisten. Zudem sind Konsumenten an vielen Marktentscheidungen gar nicht beteiligt.

Um dieses System aufzubrechen, bringen uns romantische Leitbilder nicht weiter. Wir benötigen dringend innovative ordnungspolitische Maßnahmen auf der Makro- wie auf der Mikroebene. Diese müssen ökologische und soziale Ziele konsequent ins Zentrum stellen. Da geht es um andere Bilanzierungsregeln, Regularien, Veränderungen im Steuersystem und im Außenhandel. Also um Dinge, die nicht nur kompliziert klingen, sondern es auch sind. Der Kolumnist kann da nicht weiterhelfen. Wir brauchen echte Nerds, die altes ökonomisches Denken über Bord werfen und neue nachhaltige Wirtschaftssysteme entwerfen, ohne dabei die Komplexität der anstehenden Transformation zu unterschätzen.

Gesucht sind die Ökonomin und der Ökonom der Zukunft. Wir brauchen ihre neuen Modelle dringender als leere Sprechblasen. (Philippe Narval, 16.5.2022)