Status quo der Fläche in der Venediger Au. Eine schöne, nicht mehr zugängliche Wiese.

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Rendering der Sport-&-Fun-Halle, die im Herbst 2023 eröffnet werden soll.

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Die einen sagen so, die anderen sagen so, und schon ist der Wickel beinand’. Das kennt man ja. Selten aber werden auf Bezirksebene die Spannungen so groß wie derzeit in Wien-Leopoldstadt. Da werfen die Grünen dem SPÖ-Bezirksvorsteher Alexander Nikolai vor, er sei "konservativ" und würde "nach rechts zumachen". Die SPÖ wiederum ortet "grüne Polemiken und Falschinformationen". Streitpunkte im zweiten Gemeindebezirk gibt es wie Sand am Adria-Abschnitt des Donaukanals. Nicht wenigen kommt vor, dass Autos zu viel und Fahrrädern nicht genügend Bedeutung beigemessen wird. Noch deutlicher allerdings treten die Differenzen in der Auseinandersetzung um die neue "Sport-&-Fun-Halle" (SFH) hervor.

Die Geister scheiden sich am SPÖ-Beschluss, der als künftigen SFH-Standort die Venediger Au vorsieht. Die alte Halle, die dem Busterminal weichen wird, steht noch zwischen Ernst-Happel-Stadion und Handelskai. Als Putins Armee in die Ukraine einfiel, wurde sie zum Erstaufnahmezentrum für ukrainische Flüchtlinge. Im Dezember präsentierten die Stadträte Peter Hacker und Peter Hanke sowie Bezirksvorsteher Nikolai die Venediger Au beim Praterstern als neue Lokation. Die SPÖ-Politiker lobten den Plan über den grünen Klee, Hacker sagte: "geiler Standort, geniale Idee, tolles Projekt."

Genialität und Geilheit lassen sich aus SPÖ-Sicht auch untermauern. Vor allem steht der Grund und Boden, auf dem sich noch eine Jugendsportanlage mit heruntergekommenem Kabinentrakt befindet, schon im Eigentum der Stadt. Die SFH-Renderings sehen begrünte Fassaden und ein auf 2800 Quadratmetern begrüntes Dach samt Photovoltaikanlage vor. Es sollte aber daneben genug Platz bleiben, dass auch im Freien auf Kleinfeldbasis noch gekickt werden kann. Außer Streit steht die gute Erreichbarkeit durch die Lage am Praterstern, außer Streit steht auch, dass viele Schulen und Kindergärten in unmittelbarer Nähe angesiedelt sind und die Halle vormittags gut nützen könnten.

Rechtswidrigkeit vermutet

Doch darf auf den großteils unversiegelten Boden eines aktuellen Sportplatzes überhaupt eine Halle gestellt werden? Nein, ist der grüne Bezirksvorsteherstellvertreter Bernhard Seitz überzeugt. "Dort darf kein permanentes Gebäude stehen", sagt Seitz dem STANDARD und fügt hinzu: "Für die neue SFH soll die Flächenwidmung ausgehebelt werden." Nach derzeitigem Stand, so Seitz, wären gemäß Paragraf 71 der Bauordnung nur Gebäude von vorübergehendem Bestand zulässig, beispielsweise Zelte, die nach einer gewissen Zeit wieder abgebaut werden. Doch davon könne bei der SFH keine Rede sein. Sollte die MA 37 (Baupolizei) eine Genehmigung für den Bau erteilen, so würde sie nach Ansicht von Seitz "rechtswidrig handeln". Er kündigt an: "Wenn das passiert, wird es Anzeigen geben." Zudem laufe der geplante Hallenbau dem erst 2020 vom Gemeinderat beschlossenen "Leitbild Grünräume" zuwider.

Eine Grünen-propagierte Bürgerinnenversammlung vor wenigen Tagen war gut besucht, Bezirksvorsteher Nikolai sah sich mit einer Vielzahl an kritischen Fragen konfrontiert, machte aber klar, dass sich an dem Beschluss nicht rütteln lässt. Das sieht auch Sportstadtrat Hacker so, der "nicht ansatzweise eine Rechtswidrigkeit erkennen kann", wie er dem STANDARD mitteilt. Laut Flächenwidmung falle der beschlossene Standort unter "Erholungsgebiete Sport- und Spielplätze". Das ermögliche den Bau der Halle, nur die Bebauungsbestimmungen müssten angepasst werden, weshalb die MA 37 mit der Causa befasst sei. "Der entsprechende Antrag wurde gestellt, das Verfahren läuft."

So oder so wird im Juni der alte Kabinentrakt in der Venediger Au abgerissen. Die neue Halle soll im September 2023 eröffnet werden, heißt es nun, zunächst war von Mitte 2023 die Rede gewesen. Die Frage der Baukosten ist noch nicht restlos geklärt, laut Hacker ist von einer Summe im niedrigen zweistelligen Millionenbereich auszugehen. Auf wiederholte Nachfrage ist von circa 15 Millionen Euro die Rede. Mag sein, die Frage wird auch deshalb nicht vorrangig behandelt, weil schon beschlossen ist, dass die SFH-Kosten im Budget für den Busterminal aufgehen.

Inline-Hockey-Comeback geplant

Dafür gibt es schon einen konkreten Plan, welche Sportarten in der neuen SFH angeboten werden: Badminton, Beachvolleyball, Streetbasketball, Streetsoccer, Tischtennis, Tischfußball – und ein derzeit heimatloser Sport. Sportstadtrat Hacker bestätigt, dass Inline Hockey in Wien wieder einen Indoorplatz zur Verfügung gestellt bekommt. Dem boomenden Sport war im Sommer 2021 in der alten SFH der einzige Indoor-Boden in Wien unter den Füßen weggezogen worden.

Der grüne BV-Stellvertreter Seitz würde gerne das genaue Ergebnis der Standortprüfung sehen. Schriftlich gibt es da allerdings nichts, ist aus Hackers Büro zu erfahren. Mitgeteilt bekam Seitz also nur, dass auch drei Ersatzstandorte in der Nähe des Happel-Stadions überlegt wurden, die aber ungeeignet seien. Begründung in Stichworten: Veranstaltungsbetrieb/Sicherheitsaspekte, Nichtverfügbarkeit während anderer Veranstaltungen, Baumfällungen, keine Schulen und Kindergärten in der Nähe.

Die Grünen lassen das zum Teil nicht gelten, schließlich ist auch das Happel-Stadion öffentlich gut erreichbar. "Die Sportarena, die das Dusika-Stadion ersetzen wird, kostet 50 Millionen Euro, der Busterminal ist mit 200 Millionen veranschlagt. Wir reden da von einer Viertelmilliarde", sagt Seitz. "Wieso sollte sich die SFH nicht in den Komplex der neuen Arena und des Busterminals integrieren lassen? Das wäre gewiss zu lösen. Anscheinend muss alles schnell-schnell gehen, das ist die falsche Herangehensweise. Wir reden von Bauwerken, die für hundert Jahre Bestand haben sollen. Da kann man schon etwas mehr Zeit in die Planung investieren."

Im Gegensatz zu Seitz gehen Bezirksvorsteher Nikolai und Sportstadtrat Hacker davon aus, dass eine Mehrheit der Bevölkerung den neuen Standort der SFH in der Venediger Au begrüßt. Hacker verweist darauf, dass es ja nicht nur die von den Grünen initiierte Bürgerinnenversammlung gegeben habe, sondern auch einen weiteren Informationstermin direkt vor Ort. Und da sei die Stimmung grundsätzlich sehr positiv gewesen. Die einen sagen so, die anderen sagen so. (Fritz Neumann, 16.5.2022)