Das KZ-Mauthausen ist jener Ort, der wie kein anderer in Österreich für die einzigartigen Verbrechen der Nazis steht.

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In Österreich werden Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten regelmäßig mutwillig beschädigt. Seit 2013 gab es mindestens 123 derartige Sachbeschädigungen, geht aus der Beantwortung parlamentarischer Anfragen und aus STANDARD-Recherchen hervor. Mindestens 29-mal wurde dabei die KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Oberösterreich Ziel von Attacken, erst am Donnerstag wurde beim Denkmal der Bundesrepublik Deutschland ein eingeritztes Hakenkreuz entdeckt.

Dieser jüngste Übergriff wurden von der Leitung der Gedenkstätte scharf verurteilt: "Die Tat stellt nicht nur eine Sachbeschädigung dar, sondern auch einen eindeutigen Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Sie ist aufs Schärfste zu verurteilen und zu ahnden." Benjamin Nägele, der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), stellte die Frage: "Wie muss sich ein Shoah-Überlebender fühlen, der solche Schlagzeilen liest?"

In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen wurde am Sonntag der Befreiung des Lagers durch US-Truppen vor 77 Jahren gedacht. Nur mehr ein Überlebender war für die Befreiungsfeier angesagt, er musste aber aus gesundheitlichen Gründen absagen: Der aus Litauen stammende und heute in Israel lebende Daniel Chanoch (90) wurde am 5. Mai 1945 aus dem KZ Gunskirchen, einem der zahlreichen Nebenlager von Mauthausen, befreit.
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Mauthausen ist jener Ort, der wie kein anderer in Österreich für die einzigartigen Verbrechen der Nazis steht. Im KZ Mauthausen und seinen zahlreichen Nebenlagern wurden zwischen 1938 und 1945 mehr als 100.000 Menschen ermordet.

Nazi-Codes im Gästebuch

Im vergangenen Jahr wurde der Denkmalpark der Gedenkstätte beschädigt, im Jahr 2020 wurde ein Denkmal für niederländische Gefangene mit fünf Hakenkreuzen beschmiert. Die Mauern und Türen des ehemaligen Konzentrationslagers werden immer wieder mit rechtsextremen Parolen beschmiert. Dazu kommen immer wieder rechtsextreme Besucher und Besucherinnen, die Fotos von sich in einschlägigen Posen machen oder andere Personen anpöbeln. In derartigen Fällen verhängt die Gedenkstätte Hausverbote.

Im Besucherbuch finden sich Hakenkreuze und Neonazi-Codes wie "88" oder "HH", die für "Heil Hitler" stehen. Gedenkstätten sehen sich seit Jahren gezwungen, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Pöbeleien und rechtsextreme Übergriffe vorzubereiten.

Impfgegner drehte Video

Im vergangenen Jahr tauchte ein sogenannter Querdenker aus Deutschland in der Gedenkstätte auf, um ein Video zu drehen. Darin verglich er die Impfstoffe von Astra Zeneca sowie Pfizer und Biontech mit Zyklon B, jenem Gas, das die Nazis für ihren industriell organisierten Massenmord nutzten. Er sagte zudem, er hoffe nicht, "dass irgendjemand vorhat, hier wieder Konzentrationsläger (sic) einzurichten, auch nicht für Leute, die die Impfung verweigern oder die sich nicht testen lassen wollen".

Die Leitung der Gedenkstätte meldete das Video nach eigenen Angaben den Behörden. "Meinungsfreiheit hört dort auf, wo die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost und historisch unhaltbare Vergleiche zum NS-Terrorregime gezogen werden", teilte die Leitung mit. "Diesen Missbrauch des Orts lehnen wir entschieden ab." Mit seinem Video hat der Mann auch bei der deutschen AfD den Bogen überspannt. Er wurde aus der Partei geworfen.

"Tiefpunkt einer ganzen Reihe antisemitischer Vorfälle"

Einige Wochen danach sorgte ein anderer Vorfall für Schlagzeilen. Fast zeitgleich damit, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der KZ-Gedenkstätte einen Kranz im Gedenken an die NS-Opfer niederlegte, erklang unweit davon eine Hitler-Rede aus einem Lautsprecher.

Ein Video von der Provokation in Mauthausen. Die Polizei schritt sehr spät ein.

Hinter der Aktion steckte ein Mann, der zu den Anführern der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung zählt. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sprach von einem "Tiefpunkt einer ganzen Reihe von antisemitischen Vorfällen in den vergangenen Monaten". Für die SPÖ-Politikerin Sabine Schatz war es eine "Entwürdigung des Gedenkens" an die Opfer der Nationalsozialisten. "Es wurde die Geschichte mit Füßen getreten und das Leid von Menschen verhöhnt", sagte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP).

Sachbeschädigungen in Laa, Graz, Peggau und Zirl

Neben dem Denkmalpark in Mauthausen wurden im vergangenen Jahr auch das jüdische Denkmal des Vereins Lead Niskor in Laa an der Thaya, Gedenksteine (Stolpersteine) in Graz, der Eingang des Konzentrationslagers Peggau sowie die Gedenkstätte für die NS-Euthanasieopfer auf dem Kalvarienberg in Zirl beschädigt. Drei der angeführten Vorfälle wurden als "rechtsextrem" und einer als "antisemitisch" eingestuft, heißt es vom Innenministerium. Verurteilungen gab es bisher keine, den zuständigen Behörden gelang es bisher nicht, Täter auszuforschen. Es wurde aber gegen zwei Personen ermittelt.

Emotionale Orte

Für Hinterbliebene sind die Gedenkorte besonders wichtige und emotionale Orte. Viele Opfer der Nationalsozialisten haben keine Grabstätte, man weiß nicht, wo sie begraben sind. Gedenkorte und Gedenktafeln haben für Holocaust-Überlebende und deren Angehörige daher eine große Bedeutung. Neonazis und anderen Rechtsextremen hingegen sind Gedenkstätten ein Dorn im Auge, sie verunglimpfen lieber das Gedenken an die Opfer des NS-Terrors zynisch als "Schuldkult", wie es zuletzt Identitären-Chef Martin Sellner auf seinem Telegram-Kanal getan hat. (Markus Sulzbacher, 16.5.2022)