Die MA 35 in eine serviceorientierte Einrichtung zu verwandeln ist das Ziel von Stadtrat Christoph Wiederkehr (Neos). Davon ist man laut Experten noch weit entfernt.

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Die Kritik an der Wiener Magistratsabteilung 35 koste viel Motivation. Das ließ deren Chef Georg Hufgard-Leitner im Dezember im Bruno-Kreisky-Forum wissen. Was er nicht dazusagte: Die Kritik kam nicht von ungefähr. Seit Jahren hatten sich Beschwerden über viel zu langes Warten auf Aufenthaltstitel und Einbürgerungen, rassistische Äußerungen von Mitarbeitern und verschlampte Akten angehäuft. Im Sommer 2021 erreichten diese Missstände ihren vorläufigen Höhepunkt, als publik wurde, dass Mitarbeiter die Telefonhörer einfach nicht mehr abhoben – zum Teil auch aus Überforderung.

Weil die Politik dabei nicht mehr länger wegschauen konnte, wurden im Dezember 2021 Reformen eingeläutet: ein Callcenter, mehr Personal, eine Beratungsfirma, die die Behörde in Richtung "Kundenfreundlichkeit" berät, und mehr Digitalisierung. Zwar wurde eingeräumt, dass das Umkrempeln der Behörde mehrere Jahre in Anspruch nehme. Erste Erfolge zeichnen sich laut zuständigem Stadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) aber bereits jetzt ab.

Eine Behörde, die jetzt abhebt

Etwa bei dem als Kernstück präsentierten telefonischen Service-Center. Dieses soll sicherstellen, dass Anrufe nicht mehr ins Leere gehen – und Betroffene Auskunft erhalten. Das war bei der Hälfte der 193.600 Anrufen, die seit Dezember einlangten, der Fall: Allgemeine Fragen zur Antragstellung und Einreichung von Unterlagen konnten bei diesem Gespräch geklärt werden. Bei spezifischen Fragen müssen Betroffene sogenannte "Tickets" ziehen. Zur zuständigen Sachbearbeiterin werden sie aber nicht verbunden. Ein Umstand, der auf viel Kritik stößt, zumal es in vielen Fällen eine Frage von wenigen Tagen ist, ehe eine Aufenthaltsfrist verstreicht und die Person im schlimmsten Fall plötzlich illegal in Österreich ist – mit weitreichenden Konsequenzen.

Dennoch verweist das Wiederkehr-Büro auch hier auf die positive Bilanz: 78.000 Tickets seien seit Dezember bereits erstellt worden, wovon "90 Prozent erledigt sind". Auf eine Auskunft warten demnach immer noch 7.800 Personen.

Ein Plus gab es auch bei den abgeschlossenen Verfahren: Wurden 2020 im Fachbereich Einwanderung 100.000 Verfahren erledigt, waren es ein Jahr später 120.000 Verfahren. Aktuell seien noch 38.000 in Bearbeitung. "Wichtig ist für mich, den Service für Kund:innen weiter zu verbessern sowie kürzere Verfahren anzustreben", heißt es dazu von Wiederkehr. Die ersten Reformen würden jedenfalls greifen. Man sei auf dem richtigen Weg.

Zu früh gefreut

Mit diesem Befund ist der Stadtrat aber auf einsamen Posten: Von der "wundersamen Arbeitsbeschleunigung" hat der Jurist der NGO Helping Hands, Peter Marhold, noch nichts bemerkt, "nicht bei Staatsbürgerschaften, nicht bei Familienzusammenführungen und auch nicht bei Studierenden". Immer noch beschäftige sich der völlig ausgelastete Verein mit Verfahren, die sich über Jahre strecken, und er habe es mit Mitarbeitern zu tun, die mehrmals dieselben Dokumente einfordern – und so die Verfahren in die Länge ziehen. Zwar sei die telefonische Erreichbarkeit nun besser, auf einen Rückruf des Sachbearbeiters warte man dennoch vergebens.

Ähnlich sieht das auch der Fremdenrechtsanwalt Wilfried Embacher. Zwar bemühe sich Wiederkehr und erziele auch schon Fortschritte, "aber die Behörde muss sich endlich aus den Endlosverfahren befreien". Außerdem müsse die Behörde weg von diesem Generalverdacht – "alle wollen nur schwindeln" – hin zu einer objektiven Beurteilung der Fälle kommen.

Prioritäten zeichnen sich ab

Diese Diskrepanz mag verwundern: Denn auch das im September eröffnete Business Immigration Office als Servicestelle für Fachkräfte aus Drittstaaten würde "vorbildlich funktionieren", heißt es aus dem Wiederkehr-Büro. Rund 3.707 Anträge auf Aufenthaltstitel wie etwa der Rot-Weiß-Rot Karte seien demnach seither gestellt worden, knapp zwei Drittel hätten erledigt werden können.

Die Zahl der Einbürgerungen wurde letztes Jahr sogar verdreifacht. Das liegt aber vor allem daran, dass Nachkommen von NS-Opfern seit 2020 die Möglichkeit haben, die österreichische Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen. Für diese Personengruppe ist auch die MA 35 zuständig – 12.428 Staatsbürgerschaften wurden bereits verliehen. Während sich andere Einbürgerungsverfahren in die Länge ziehen, wurden hier Kapazitäten massiv ausgebaut.

Mehr Personal gefordert

Eine Verbesserung für alle könne für den grünen Menschenrechtssprecher Niki Kunrath nur durch entsprechende Supervision und gute Schulung der Mitarbeiter gelingen. "Wenn das Leben von Menschen von MA-35-Mitarbeiterinnen abhängt, dann braucht es mehr Personal", sagt Kunrath – 50 neue Mitarbeiterinnen würden dafür nicht ausreichen. Ob die Reformen tatsächlich greifen, wird sich auch in der Zahl der Beschwerden bei der Volksanwaltschaft abzeichnen: Waren es letztes Jahr über 1.000, kamen bis Mai 2022 406 Beschwerden über die MA 35 herein. 97 davon waren berechtigt. (Elisa Tomaselli, 17.5.2022)