Laut Bundeskanzler Nehammer übernimmt Tschechien den EU-Ratsvorsitz angesichts des Ukraine-Kriegs in einer entscheidenden Phase.

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Wien/Prag – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) fährt am Dienstag nach Prag, wo er von seinem tschechischen Amtskollegen Petr Fiala empfangen wird. Nach dem Empfang mit militärischen Ehren in der Residenz des tschechischen Regierungschefs ist eine gemeinsame Pressekonferenz im Regierungsamt geplant. Themen der Gespräche werden laut Bundeskanzleramt neben bilateralen Fragen vor allem der Krieg in der Ukraine sowie EU-Themen sein, denn Tschechien übernimmt ab 1. Juli den EU-Ratsvorsitz.

"Tschechien ist nicht nur ein wichtiger Partner und Nachbar, sondern übernimmt den europäischen Ratsvorsitz in einer ganz entscheidenden Phase für die EU angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine." Daher müsse es ein Ziel sein, rasch eine Deeskalation zu bewirken, weiterhin humanitäre Hilfe zu leisten und die globale Ernährungssicherheit über grüne Korridore sicherzustellen, sagte Nehammer im Vorfeld der Reise. Nach dem Treffen mit Fiala kommt der Bundeskanzler im Rahmen seines eintägigen Besuchs auch mit dessen Stellvertreter und Arbeits- und Sozialminister Marian Jurecka zu einem Gespräch zusammen.

Prag: Alle Flüchtlingsunterkünfte belegt

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist die Solidarität mit den Ukrainern in Tschechien groß. Das Nato-Land unterstützt die Ukraine mit Waffenlieferungen. Nach Medienberichten waren darunter auch schwere Waffen wie T-72-Kampfpanzer und BMP-1-Schützenpanzer. Zudem hat Tschechien bisher eine große Zahl ukrainischer Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Nach offiziellen Angaben sind 340.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine angekommen. Ähnlich wie hierzulande ist es wegen der offenen Grenzen im Schengenraum unklar, wie viele davon tatsächlich im Land geblieben sind. Das Innenministerium in Prag schätzt aktuell, dass mehr als 200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer im Land geblieben sind. Vor allem die Hauptstadt Prag klagt aktuell, dass alle Flüchtlingsunterkünfte belegt sind.

Fiala steht seit Dezember an der Spitze einer Koalition aus fünf liberalen und konservativen Parteien in Prag. Der Politologie-Professor gehört selbst der konservativen Demokratischen Bürgerpartei ODS an. Vizeregierungschef Jurecka ist Chef der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL). Das Nachbarland fährt seit dem Amtsantritt der Regierung Fialas auf einem deutlich EU-freundlicheren Kurs als unter dessen Vorgänger Andrej Babis.

Atomkraft wird heikles Thema

Für Österreich ist Tschechien laut Bundeskanzleramt der wichtigste Handelspartner in Zentraleuropa mit einem Handelsvolumen im Jahr 2021 von 13,8 Milliarden Euro. Gemeinsame Interessen sind traditionell eine harte Haltung in der Migrationspolitik und das Anliegen einer raschen Heranführung der Staaten des Westbalkans an die EU.

Bilateral das heikelste Thema zwischen Österreich und dem Nachbarland Tschechien ist nach wie vor die Atomkraft, die im Kampf gegen den Klimawandel und durch den Konflikt mit Russland derzeit europaweit eine Renaissance erlebt. Die tschechische Regierung will die Atomkraft ausbauen, um bis 2033 auf die Nutzung von Kohlestrom zu verzichten. Dazu sollen bestehende Reaktoren langfristig weiterlaufen und neue hinzukommen. Pläne für ein Atomabfallendlager sollen vorangetrieben werden. Vor kurzem wurde der Bau eines neuen Atomreaktors am Standort Dukovany ausgeschrieben. Der Baubeginn ist im Jahr 2029 geplant. Nehammer werde im Rahmen des Besuch "auch die österreichische ablehnende Haltung in puncto Atomkraft erneut bekräftigen", hieß es am Montag aus dem Bundeskanzleramt. (APA, red, 16.5.2022)