
"Keine Geheimverhandlungen und Sideletter" zur Streamingplattform ORF-Player: Stiftungsrat Heinz Lederer.
Wien – Am Donnerstag wählt das oberste ORF-Gremium Stiftungsrat einen neuen Vorsitzenden – voraussichtlich Berater Lothar Lockl von den Grünen. Die der SPÖ zugeordneten Stiftungsräte können sich Lockl vorstellen, formulieren aber Bedingungen, die Mehrheit von ÖVP und Grünen zu verbreitern. Und ihr Sprecher Heinz Lederer warnt vor "relevanten ökonomischen Nachteilen für den ORF" im Tausch für eine Digitalnovelle.
- Update: Lederer kündigt für Donnerstag Anfragen zu Kosten von Leiharbeitskräften, Energiekosten und Rechtemanagement des ORF an. Anlass: Die Verlustwarung des ORF-Generals über nun 2022 drohende zwölf Millionen Euro Minus (unten).
ORF-Player und "ORF-Schwächung"
Lederer warnt vor wirtschaftlichen und inhaltlichen Einschränkungen des ORF im Tausch für eine Gesetzesnovelle mit mehr digitalen Möglichkeiten für den ORF etwa im Streaming. "Auf keinen Fall" dürfe das "wirklich relevante ökonomische Nachteile" bringen – also etwa Werbeeinschränkungen oder Maßnahmen, die ORF.at beschränkten. "Wenn es wirklich so ist, dass in diesen Verhandlungen Artikellängen auf der blauen Seite diskutiert werden und der Ausverkauf der ORF-Archive, dann bedeutet das eine Benachteiligung des ORF, eine Schwächung des ORF, um von dieser schwachen Regierung die Möglichkeit für den ORF-Player zu bekommen."
Lederer ist gegen "Geheimverhandlungen und Sideletter": Alle inhaltlichen Punkte aus den Verhandlungen von ORF und privaten Medien unter der Regie von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) "müssten auf den Tisch des Stiftungsrats, und dann muss offen und transparent darüber geredet werden", verlangt Lederer: "Das kann auch zu einer Ablehnung des Stiftungsrats führen."
"Stabilität und Unabhängigkeit"
Der Vorsitzende des Stiftungsrats müsse "für Stabilität und Unabhängigkeit sorgen nach innen und außen", fordert der neuerlich von der SPÖ in das Gremium entsandte Heinz Lederer im Gespräch mit dem STANDARD." All seine Handlungen als Vorsitzender" müssten der "Wahrung der Unabhängigkeit dienen."
Diese Unabhängigkeit fuße auf zwei Fundamenten, Personal und Ökonomie. "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Unabhängigkeit leben." Ihnen gelte es den Rücken zu stärken, erklärt Lederer und erinnert an Aussagen des bisherigen Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger (FPÖ). Der fiel vor allem in Zeiten der Koalition von ÖVP und FPÖ mit öffentlichen Kommentaren über "unbotmäßige" Fragen und den Gesichtsausdruck etwa von "ZiB"-Anchor Armin Wolf in seinen Interviews auf und mit der Kritik an einzelnen Korrespondenten, verbunden mit der Drohung, die Finanzierung der ORF-Auslandsbüros zu hinterfragen.
ORF-Belegschaft "am Limit"
Die ORF-Belegschaft sei "am Limit", warnt Lederer neuerlich, und zwar in den Redaktionen, programmlich wie in der Information ebenso wie in der Technik. Weißmann habe vor seiner Wahl 2021 für seine Amtszeit versprochen, "prekäre Dienstverhältnisse" zu beenden, sagt der Sprecher der nun vier SPÖ-nahen Stiftungsräte, davon zwei Betriebsräte. Es gebe auch "einige Dutzend Cutterinnen", die nicht im ORF angestellt als Leiharbeitskräfte arbeiteten. Die wenigen jungen Mitarbeiterinnen verdienten im ORF "ganz wenig", seien aber Schlüsselkräfte für die ORF-Zukunft. Der Stiftungsrat hat gerade eine Arbeitsgruppe für Diversity und Gleichstellung eingerichtet, sie müsse sich wesentlich der Personalentwicklung widmen.
Fundament zwei sieht Lederer "im wirtschaftlichen Wohl und Wehe des ORF". Donnerstag wird ORF-General Roland Weißmann bei der konstituierenden Sitzung des neuen Stiftungsrats über die Lage des ORF referieren. Er musste gerade – wie andere Unternehmen angesichts von Energiepreisen und insgesamt hoher Inflation sowie wegen Corona-Folgekosten – die Prognose für 2022 von einem geplant ausgeglichenen Ergebnis auf zwölf Millionen minus revidieren.
Winning Wrabetz
"Never change a winnig team", kommentiert Lederer die Entwicklung: Hätten ÖVP und Grüne den langjährigen ORF-General Alexander Wrabetz verlängert und nicht durch Weißmann ersetzt, gäbe es diese wirtschaftlichen Probleme nicht, glaubt der rote Stiftungsrat. Wrabetz habe den ORF "mit einem Plus" durch die Pandemie geführt. Er habe aber "keine Zweifel", dass das auch dem aktuellen Team gelingen werde. Aber, wohl mit Blick auf die Warnung vor drohenden zwölf Millionen minus beim Milliardenunternehmen ORF: "Alarmismus kommt bei uns ganz schlecht an. Er ist in einem schwierigen Marktumfeld nicht angebracht." Weißmann habe die Verantwortung, "dass er das schafft. Und ich traue ihm natürlich zu, dass er das schafft."
Lederer warnt vor neuen Sparpaketen "nach der Rasenmähermethode", wie sie der ORF in den vergangenen Jahren angewandt habe, gemeint wohl: möglichst in allen Bereichen gleichermaßen kürzen. Üblich waren in den vergangenen Jahren vor allem vorzeitige, freiwillige Pensionierungen per mehr oder weniger vergoldeten "Handshake". Sie bergen für Lederer die Gefahr eines "Braindrains".
- Update: Leiharbeitskräfte Der von der SPÖ entsandte Stiftungsrat kündigt nun für Donnerstag Anfragen über die Kosten von nach seinen Infos mehr als 100 Leiharbeitskräften etwa für Schnitt an. Sein Verdacht: Durch Überzahlungen kämen sie oder ein Teil von ihnen den ORF teurer, als wären sie angestellt. Lederer verlangt nun – anonymisiert – Aufklärung über ihre Zahl und Bezahlung und will, wenn sich sein Verdacht bestätigt, im Juni-Stifftungsrat ihre Anstellung beantragen. Auch bei den Energiekosten des ORF verlangt er Aufklärung, ob und wie sich der ORF auf die Teuerung vorbereitet hat und wie er darauf reagiert. Zudem kritisiert Lederer das Rechtemanagement. Abgeschlossene Produktionen im ORF lange auf ihren Einsatz im Programm warten müssten (weil im ORF ein wesentlicher Teil des Preises erst nach Ausstrahlung fällig wird).
"House of Excellence"
Die SPÖ-nahen Stiftungsräte würden Lockl als Vorsitzenden "positiv aufnehmen, wenn er sich vorher zu diesen inhaltlichen Punkten erklärt", sagt Lederer. Lockl habe sich bisher für Stabilität eingesetzt und für professionelle Personalentwicklung. Lederer spricht in diesem Zusammenhang häufig vom ORF als "House of Excellence". Er verweist auf den privaten deutschen Medienkonzern Springer, der gerade (nach einem Compliance-Verfahren über eine Führungskraft und öffentlichen Vorwürfen an den Vorstandschef) ein zusätzliches Vorstandsmandat für "Talent & Culture" eingerichtet hat.
Einschränkungen im Personalbereich würden letztlich "die Unabhängigkeit gefährden", glaubt Lederer. (fid, 17.5.2022)