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In ihrem Gletschertagebuch zeichnen die beiden Glaziologen Andrea Fischer (Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung, ÖAW) und Hans Wiesenegger (Hydrographischer Dienst des Landes Salzburg) ein düsteres Bild von der Entwicklung der heimischen Gletscher in den kommenden Sommermonaten. Die Kombination aus späten und geringen Schneefällen in einigen Regionen und vermehrtem Windaufkommen hat viele heimische Gletscher in eine denkbar schlechte Position gebracht.
Der Sommersonne ausgesetzt
Ohne eine nennenswerte Schneedecke hat das dunklere blankgefegte Gletschereis der Sommersonne kaum etwas entgegen zu setzen: In den heißen Monaten verlieren ungeschützte Gletscher zehn bis 20 Zentimeter Eis pro Tag, berichtet Fischer auf Ö1. Vor allem der Westen des Landes und die Hohen Tauern befinden sich demnach in einer kritischen Situation. Die ungewohnten Verteilungen der Schneemengen dieses Winters (in Salzburg beispielsweise schneite es überdurchschnittlichen viel) hat unter anderem zur Folge, dass einige hoch gelegene, exponierte Gletscher heuer früher zu schmelzen beginnen.
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Das bedeutet vor allem für die Pasterze am Fuß des Großglockners schlechte Nachrichten. Wie Andrea Fischer am Montag im ORF-Morgenjournal erklärte, befindet sich der mit acht Kilometern Länge größte Gletscher Österreichs bereits in einem beklagenswerten Zustand. Tiefer liegende Bereiche seien nur mehr schwach mit den hoch gelegenen Abschnitten der Pasterze verbunden. Es könnte durchaus noch in diesem Sommer passieren, dass die Gletscherzunge völlig abreißt und der Gletscher mehr oder weniger in zwei Teile auseinander fällt.
Pasterze verliert 50 Meter pro Jahr
Damit wäre der Eisnachschub der Gletscherzunge unterbrochen, was ihr völliges Abschmelzen binnen zehn bis 20 Jahren bedeuten könnte, so die Glaziologin. Nach Angaben der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) war die Eisdicke der Pasterze zwischen 1969 und 2012 über die gesamte Fläche um 37 Meter zurückgegangen. Mittlerweile sind es jährlich schon um die fünfzig Meter. Insgesamt verloren die rund 5.000 Gletscher in den Alpen in nur 15 Jahren ein Sechstel ihres Eisvolumens.
Simulationen von Forschenden an der Universität Graz zufolge wäre der Pasterze theoretisch zwar mit einer Schicht aus Kunstschnee zu helfen, aber leistbar wäre ein solches Projekt kaum. Modellierungen haben gezeigt, dass genügend Wasser vorhanden wäre, um die Pasterze mit einer Schutzschicht aus Kunstschnee gegen das Abschmelzen zu schützen, schrieb ein Team um Jakob Abermann im Fachjournal "Regional Environmental Change".
Unleistbarer Schutz
Allerdings wäre ein solches Vorhaben abgesehen von den ökologischen Konsequenzen aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten alles andere als tragfähig. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Kosten für die Erhaltung schon jetzt um ein Vielfaches höher wären als alle bestehenden Tourismuseinnahmen zusammen. Mit den steigenden Temperaturen würde der Aufwand in naher Zukunft sogar noch größer werden, da man noch mehr Schmelze kompensieren müsste.
Die Forschenden betonen freilich, dass keine Pläne zu einem derartigen Projekt existieren: "Wir möchten darauf hinweisen, dass wir hier nicht eine konkrete, umsetzbare Idee oder einen Auftrag verfolgen, sondern dass wir eine hervorragende Datengrundlage genützt haben, um prinzipiell die klimatologischen und ökonomischen Randbedingungen eingrenzen zu können", erklärte Abermann in einer Aussendung.
Generell sind sich die Experten einig: Die Gletscher werden selbst dann weiter schrumpfen, wenn die Erderwärmung gestoppt werden würde. Das liegt vor allem daran, dass sie mit einer gewissen Verzögerung auf den Temperaturanstieg reagieren. Entsprechend hoffnungslos beurteilte in der vergangenen Woche auch der Generalsekretär der Weltmeteorologieorganisation (WMO), Petteri Taalas, das künftige Schicksal der Alpengletscher: Bis zum Ende des Jahrhunderts dürften die Gletscher in Österreich komplett verschwinden, prophezeite Taalas. (tberg, red, 17.5.2022)