Katharina Reich ruft auf, sich schon jetzt Gedanken über den Herbst zu machen.

Foto: Heribert CORN

"So viele in so einem kleinen Raum heißt auch: so viele Viren, aber jetzt kümmert es uns nicht mehr", schrie Bundekanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Samstag in einem Moment des Überschwangs. Und tatsächlich stehen die Zeichen weiter auf Lockerungen: Erst am Montag fielen sämtliche Einreiseregeln, und schon in der Vorwoche lockerten EU-Behörden die Empfehlung zum Maske-Tragen in Flugzeugen.

Dabei sollte man die Maske aber über den Sommer nicht ganz verstauben lassen, sagte nun Gecko-Vorsitzende und Chief Medical Officer Katharina Reich im Interview mit der "Kleinen Zeitung". Sie selbst probiere "täglich selbst aus", ein Selbstverständnis zu finden, "wo Maske notwendig ist und wo nicht". Geht es nach den Verordnungen des Gesundheitsministeriums, muss man sie bekanntlich nur noch in lebensnotwendigen Bereichen tragen.

Und geht es nach Reich, solle das über den Sommer auch so bleiben. "Meine persönliche Meinung ist, dass es aus mehreren Gründen – psychologischen wie solchen der sozialen Gewöhnung – im essenziellen Handel auch über den Sommer bei der Maske bleiben soll", sagt sie. Sie merkt aber auch an: "Das ist eine Frage, die nur die Politik entscheiden kann". Virologin Dorothee von Laer hält den Wegfall der Maske im Juli aber für "vertretbar", wie sie in der Dienstagsausgabe des "Kurier" ausführt. Wobei auch sie dazusagt: Man müsse bereit sein, Maßnahmen wieder einzuführen, wenn die Zahlen steigen. Laut Politik, namentlich Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), bleibt die Maske zumindest bis zum 8. Juli – da läuft die aktuelle Corona-Verordnung aus. Alles danach ist offen.

Vorbereitung von Politik und Einzelnen

Dass die Politik nicht immer auf die Meinung der Wissenschaft hörte, wurde in den letzten Monaten deutlich. Mehrfach wurde Gecko etwa bei Maßnahmenänderungen gar nicht konsultiert. Teils bezog sich der Gesundheitsminister auch auf Empfehlungen, die so nie getätigt wurden. Standpunkte seien nun einmal unterschiedlich, die Politik müsse andere Faktoren miteinrechnen als die Wissenschaft, sagt Reich dazu. Und ja, man habe zwischendurch "heftig diskutiert". Aber diese Divergenzen habe man nun ausgeräumt, "auch das war eine wichtige Vorbereitung für den Herbst".

Für den Herbst präsentierten Rauch und Reich erst vor eineinhalb Wochen den sogenannten Variantenmanagementplan, der aus vier Szenarien besteht. Diese reichen vom Idealfall bis zum Worst Case, auf jedes der Szenarien will die Politik sich nun vorbereiten. Reich betont aber: Man müsse nicht auf Verordnungen warten. Jeder und jede Einzelne müsse sich auch individuell vorbereiten.

Dafür hat die Gecko-Vorsitzende konkrete Vorschläge: "Man kann sich vorbereiten, beispielsweise auf ein etwaiges Homeoffice-Szenario. Man kann in der Familie, mit den Kindern, mit Verwandten besprechen: 'Feiern wir eventuell einen Geburtstag, der im November wäre, im September vor?'" Es gehe darum, "sich mental und organisatorisch wieder auf ein eventuell sozial reduziertes Setting vorzubereiten".

Impfpflichtbericht in Kürze

Das Thema Long Covid kommt im Maßnahmenplan allerdings nicht vor, obwohl es Zigtausende seit Monaten, einzelne sogar schon über ein Jahr lang betrifft – wie viele genau, ist aber unklar. Reich räumt in dem Zusammenhang eine Datenlücke ein, Diagnosen würden nicht dokumentiert werden, daran arbeite man. "Die Menschen, die Probleme haben, müssen wissen, wo sie sich zuerst hinwenden sollen", sagt sie im Interview – ohne dazuzusagen, wohin. Nur so viel: "Es ist nicht effizient, wenn alle, die glauben, dass sie an Long Covid leiden, sich sofort an eine Spezialambulanz wenden." Im April betonte der Gesundheitsminister im Parlament: Die Behandlung von Personen mit Long-Covid-Symptomen werde vorrangig von der Primärversorgung wahrgenommen.

Und dann gibt es noch die Impfungen. Deren Zahl geht bekanntlich seit Monaten zurück, Expertinnen und Experten betonen stets, im Herbst müsse der Schutz aller bereits aufgefrischt sein. Dazu plant die Regierung eine Kampagne – im Raum steht ja immer noch die Impfpflicht. Vermutlich kommende Woche wird der Bericht einer medizinischen und juristischen Fachkommission erscheinen. Diese analysiert, ob die Impfpflicht schon im Sommer notwendig und verfassungskonform sein könnte. Die aktuelle Aussetzung des Impfpflicht-Gesetzes läuft nämlich mit Ende Mai aus. (elas, 17.5.2022)