Im stilvollen Raum der Baumgartner Höhe geht es farbprächtig zu.

Wagner-Strauss

Es gab natürlich einen im Sinne des theatralischen Mehrwerts tollen Moment: Beim zweiten der vier Stücke op. 27 von Arnold Schönberg durchdringt die Stille im Jugendstiltheater der nicht unbekannte Satz "Du sollst dir kein Bild machen!". Zeitgleich wird der ausgerollte rostrote Stoffvorhang zur Leinwand, auf der eine Schattengestalt langsam zu riesenhafter Göttergröße anschwillt. Sie blickt herab auf einen kleinen Schattenmenschen, der sich angstvoll krümmt und seine Hände schützend hebt.

An dieser Stelle der Festwochenproduktion Friede auf Erden verschmolzen die Elemente tatsächlich zu so etwas wie einem Gesamtkunstwerk aus auratischem Bild, Theatergesten, Text und Musik. Leider ein rarer Augenblick der Dynamik im Rahmen einer Szenenfolge, die insgesamt von Ritualen und Statik geprägt war.

Nicht nur Schönheit

Der Ausgangspunkt: Die bildende Künstlerin Ulla von Brandenburg – es war nachzulesen – sprach davon, nicht nur Schönheit produzieren zu wollen. Sie intendiert, Disharmonien und Komplexität zu verschärfen und Fragen aufzuwerfen. Zusammen mit harlekinartig gewandeten Schauspielern und Schauspielerinnen, dem vortrefflichen Schönberg Chor und dem Klangforum Wien sucht Ulla von Brandenburg dabei einige Vokalkompositionen Schönbergs aus der Konzertform herauszulösen. Im leeren Raum sollen sie Teil einer synästhetischen Konzeption werden.

Es dauert ...

In Grunde bleibt es allerdings bei einer ästhetischen Behauptung, die optische Reize setzt und szenische Leerstellen produziert. Ständig werden Tücher entrollt oder zusammengefaltet. Minutenlang dauert es mitunter, bis die Chormitglieder Aufstellung genommen haben, ohne dass deren Individualität – bis auf eine Miniepisode der Eitelkeit zwischen zwei Sängern – szenisch konsequent ausgearbeitet wird. Eine vergebene Chance.

Und: Werden die Mitglieder des Chores gewissermaßen als singende Schlafwandler durch den leeren Raum geschickt, wirkt auch nur Chorleiter Erwin Ortner in seiner exaltierten Stilistik als markante gestaltete Figur. Es regieren also eher Statik und zu oft eine Art optisch behübschter Leerlauf der redundanten Chorbewegungen.

Bunt und harmlos

Wenn der Musik gewisse Tuchfarben zugeordnet werden, erlangt das jedoch auch nie etwa die Intensität eines musikalischen Schüttrituals von Hermann Nitsch (wie vorigen Sommer in Bayreuth). Und was die szenischen Defizite anbelangt, muss nur an das Festwochen-Präludium mit Regisseur Romeo Castellucci erinnert werden. Mozarts Requiem hat selbiger doch um einiges differenzierter und reicher inszeniert.

So blieb es bei einem bunten Abend in einem malerischen Raum, den der Chor kultiviert beschallte. Mit seiner Botschaft, die sich aus dem Schlusswerk Friede auf Erden op.27 (1925) ableiten ließ, verbreitet die Produktion natürlich in Zeiten wie diesen die nötige Dringlichkeit. Dass Friede auf Erden mit seinen etwa 70 Minuten teilweise wie ein Epos wirkte, zeigt aber, dass der reizvolle Ansatz etwas zu zaghaft und dekorativ umgesetzt wurde. (Ljubiša Tošic, 17.5.2022)