In einem städtischen Wiener Kindergarten in Penzing soll es zu möglichen Missbrauchsvorfällen durch einen Pädagogen gekommen sein.

Foto: imago images/imagebroker/Jan Tepass

Der Missbrauchsverdacht in einem Kindergarten der Stadt Wien schlägt hohe Wellen. Wie berichtet, steht der Verdacht im Raum, dass ein Pädagoge drei Kinder missbraucht haben könnte. Ein möglicher Fall wurde von den Eltern eines Mädchens bereits im März 2021 gemeldet: Dieses habe seinen Eltern von übergriffigen Berührungen beim Wickeln erzählt, heißt es von der Magistratsabteilung 10 (Kindergärten). Der Pädagoge sei umgehend vom Dienst mit Kindern abgezogen und angezeigt worden. Seither prüft die Staatsanwaltschaft.

Die anderen Eltern im Penzinger Kindergarten wurden von diesem Verdachtsfall nicht informiert. Diesen Umstand kritisierte der zuständige Stadtrat Christoph Wiederkehr von den Neos. Er hat nach Eigenangaben selbst erst vor wenigen Tagen von dem Fall erfahren. "Es geht nicht, dass die Eltern nicht informiert wurden", sagte ein Sprecher Wiederkehrs am Dienstag dem STANDARD. Um "schonungslos alles auf den Tisch zu legen", wurde die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft mit der Causa beauftragt.

Bericht bis Juli

Am Mittwoch konstituiert sich ein Gremium, das den Fall prüfen wird. Neben Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs sind die MA 11 (Kinder und Jugendhilfe) als Aufsichtsbehörde sowie der unabhängige Kinderschutzverein "die möwe" involviert. Bis Juli werde ein Bericht vorgelegt, sagte Kinder- und Jugendanwalt Nik Nafs. Ziel sei etwa aufzuzeigen, "wo Behörden etwas besser machen können". Zum aktuellen Fall wollte Nik Nafs aufgrund des "laufenden Verfahrens" nichts sagen.

Derzeit drei Verdachtsfälle

Dass andere Eltern, deren Kinder in dem Kindergarten betreut wurden, erst nach mehr als einem Jahr überhaupt vom Missbrauchsverdacht gegen den langjährig tätigen Pädagogen erfahren haben, dürfte auf einen externen Verein zurückgehen. Dieser Verein wurde von der MA 10 nach Aufkommen der Vorwürfe im Vorjahr im Gespräch mit den betroffenen Eltern beigezogen. Das führte dazu, dass vor kurzem zwei neue Missbrauchsverdachtsfälle gemeldet wurden.

Laut Staatsanwaltschaft Wien geht es um den Vorwurf des (teils schweren) sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, insgesamt werden also drei Fälle geprüft. Im ersten Fall, der bereits vor einem Jahr gemeldet worden war, wartet die Staatsanwaltschaft noch immer auf das Ergebnis eines Gutachtens.

MA 10 weist Vertuschungsvorwürfe zurück

Die MA 10 weist aufkommende Vertuschungsvorwürfe jedenfalls zurück: Wenn Eltern Sorgen hinsichtlich eines möglichen Missbrauchs äußern, werde jemand Externer beigezogen, etwa vom Verein möwe oder Selbstlaut. So schildert Daniela Cochlar, Leiterin der Stadt-Wien-Kindergärten (MA 10), dem STANDARD das Prozedere, nach dem in solchen Fällen vorgegangen werde. Wenn ein Verdacht aufkomme, informiere die Leitung des jeweiligen Kindergartens die Regionalleitung, diese dann die Leitung für ganz Wien, die einen Bericht über die Geschehnisse an die MA 11 (Kinder- und Jugendhilfe) verfasse. Die MA 11 entscheide dann, ob sie selbst den Fall untersucht oder zur Staatsanwaltschaft geht – im aktuell vorliegenden Fall geschah Letzteres. "Es sind also viele Personen involviert, damit nichts vertuscht wird", sagt Cochlar.

Ob weitere Eltern informiert werden, entschieden in diesem Fall demnach Regional- und Wiener Betriebsleitung gemeinsam. "Es wird nie gezweifelt, ob etwas, was ein Kind sagt, stimmt oder nicht", sagt Cochlar. Man schaue sich auch Dienstpläne an, ob ein Kind gewickelt wird, ob es auffälliges Verhalten gab oder wie der Raum gestaltet sei. Außerdem würden die Pädagogen genau beobachten ("das ist eine ihrer Kernkompetenzen") und bekämen auch Supervision angeboten. Mitarbeiter seien zudem von der Polizei befragt worden. "In diesem Fall hat man sich entschieden, die Ermittlungen abzuwarten. Es wurden auch Mitarbeiterinnen befragt, die Polizei war am Standort. Wir müssen vertrauen, dass alles getan wird, was notwendig ist", fasst die Leiterin der MA 10 zusammen.

"Dürfen keine Hetzjagd lostreten"

Man sei an voller Aufklärung interessiert, aber man müsse abwägen, was die Information über einen Missbrauchsverdacht bedeute – für Eltern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kinder und den Pädagogen, der hier des Übergriffs verdächtigt wird. "Wir dürfen als Dienstgeber auch keine Hetzjagd lostreten", sagt Cochlar. "Es war überhaupt nicht unsere Intention, hier etwas zu vertuschen."

Man habe auch beim Gericht nachgefragt, wann ein Ergebnis vorliege – und sei auf Mitte Mai vertröstet worden.

ÖVP droht Wiederkehr mit Misstrauensantrag

Heftige Kritik am Vorgehen der Kindergartenbehörden und vor allem am zuständigen Stadtrat Wiederkehr kam von der Opposition. Maximilian Krauss, Klubchef der Wiener Freiheitlichen, sprach von einem "Vertuschungsskandal" und bezeichnete Wiederkehr als "in seinem Amt völlig überfordert". Die Wiener ÖVP droht mit einem Misstrauensantrag gegen den Vizebürgermeister, sofern "bis Sommer keine substanziellen Reformen angegangen werden", wie Klubchef Markus Wölbitsch sagte. "Wenn die Neos nicht regieren können, dann sollen sie es lassen." (David Krutzler, Gudrun Springer, 17.5.2022)