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Auch für Rosalía gibt's Platz in den Charts.

Foto: : Chris Pizzello/Invision/AP

Durch den globalen Austausch, den das Internet ermöglicht hat, durch die Einflüsse und Inspirationen, die immer nur einen Klick entfernt sind, hat sich spätestens seit den 2010ern irrsinnig viel Musik entwickelt, die man kaum noch in Worte fassen kann. Formationen wie das US-Duo 100 Gecs zum Beispiel drehen alle Genres durch den Computerfleischwolf – da kommt man mit Adjektiven wie "eklektisch" auch nicht sehr weit.

Über Genregrenzen hinaus wurde natürlich schon seit langem (Stichwort Crossover), wenn nicht immer experimentiert, seit einigen Jahren passiert das halt exzessiver. Das ermöglichte nicht nur interessante Mischungen und ab und zu sogar so etwas wie Innovation, auch Mainstream-Artists entdecken Musik von Künstlerinnen und Experimentierern und adelten sie, indem sie mit ihnen zusammenarbeiteten.

Man nehme nur jemanden wie die spanische Musikerin Rosalía, die zwar auch vor ihrem 2018 erschienenen Album El Mal Querer bereits ein aufgehender Stern in ihrer Heimat war, aber durch dieses Album und den sich daraus ergebenden Kollaborationen den Mainstream gehackt hat. Mithilfe von Features bei großen Chartstürmerinnen und -stürmern wie Travis Scott oder Billie Eilish konnte sie ihre eigene Musik "in die Charts schleusen".

Virale Nobodys

Solche wie Rosalía gibt es aktuell viele: Leute, die aus gewissen musikalischen Nischen kommen (bei ihr war es Flamenco) oder aus Sub- und Gegenkulturen und denen auf einmal ein Plätzchen im Mainstream vergönnt wird, auch wenn es vielleicht nur die zweite Liga des Mainstreams (also alles, was dann so ab Chartplatz 20 kommt) ist. Dabei spielt auch Tiktok eine große Rolle, denn mithilfe der Plattform können auch absolute Nobodys einen viralen Hit landen. Die Tiktok-Variante kann halt den Nachteil haben, dass dann erst wieder seelenloser 0815-Schrott erfolgreich wird.

Sagen wir so: Gegensätzliche Bewegungen finden parallel statt, größere Durchlässigkeit bedeutet nicht immer bessere Musik. Die Ansicht, dass alles Mainstreamtaugliche abzulehnen sei und Chartmusik nur Ohrenbeschwerden verursache, ist aber auch nicht haltbar. Auch im Mainstream gibt es "Eklektisches" zu entdecken; bis 100 Gecs dort landen, kann’s allerdings noch dauern. (Amira Ben Saoud, 18.5.2022)