Viehhändler sprechen von gläsernen Transportwegen.

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Wien – Das Leben von Tatjana und Gerhard Engel spielt sich auf der Straße ab. Diese führt nach Aserbaidschan und Usbekistan, nach Marokko und Tunesien, regelmäßig in die Türkei und mitunter bis nach Sibirien. Mit dabei sind Rinder oder Schweine. Das Vieh ist auf zwei Etagen im Laderaum des Lkws untergebracht. Das Ehepaar Engel teilt sich eine vier Quadratmeter große Fahrerkabine.

Bücher könnte sie über ihr Nomadenleben schreiben, sagt Tatjana Engel. Sie erzählt von Überfällen, Tunnelbränden und Flüchtlingen, die, an den Lastwagen geklammert, den Weg von Afrika nach Europa schaffen wollten.

Kritik an Tiertransporten lässt sie den Kopf schütteln. Das Vieh, das sie tief ins Hinterland Asiens und Afrikas bringe, diene dem Aufbau neuer Herden. Todesfälle könne sich keiner leisten, es am Ort der Bestimmung zu schlachten wäre für Abnehmer ein Verlustgeschäft.

Sie erinnert an Zeiten, in denen das Wohl der Tiere vom guten Willen und der Finanzkraft des Viehhändlers abhing. Fahrtenbücher fehlten. Ihr Vater sei ausgelacht worden, weil er die Rinder tränkte, sagt Engel. Heute jedoch werde die gesamte Reise getrackt, die Temperatur im Laderaum aufgezeichnet, jedes Abladen gefilmt. "Es ist ein gläserner Transport." Strengere Kontrollen hält sie für unerlässlich. "Damit endlich schwarze Schafe der Branche aus dem Verkehr gezogen werden."

Sieben Tage bis Aserbaidschan

14 Stunden am Stück darf gefahren werden. Dann ist zumindest eine Stunde zu pausieren. Nach weiteren 14 Stunden werden die Tiere, zumeist 30 trächtige Kalbinnen, in der EU auf dafür zugelassenen Versorgungsstationen für 24 Stunden entladen, rechnet Engel vor. Es ist ein Rhythmus, der für die zur Zucht vorgesehenen Tiere bis zum Zielland fortgesetzt werden darf. Im Falle von Aserbaidschan umfasst dieser mindestens sieben Tage.

Österreich exportiert jährlich 28 Millionen Schweine, Rinder, Hühner, Schafe, Ziegen und Pferde in EU- und in Drittstaaten, darunter bis zu 55.000 Kälber. Mehr als 1,5 Milliarden Tiere werden im Dienste der Arbeitsteiligkeit wie Industriegut quer durch Europa gekarrt.

Tiertransporte polarisieren und emotionalisieren. Ein vom niederösterreichischen FP-Landesrat Gottfried Waldhäusl ins Rollen gebrachtes Volksbegehren, das Tierqual lindern soll, zählt knapp 427.000 Unterschriften. Waldhäusl will, dass Nutztiere nur noch bis zum nächstgelegenen Schlachthof transportiert werden dürfen. Was vernünftig klingt, ist in Österreich praktisch aber nicht umsetzbar. Darüber sind sich Vertreter der Fleischindustrie ebenso einig wie viele Tierschützer.

Symptombekämpfung

Von reiner Symptombekämpfung und Verkennung wirtschaftlicher Verflechtungen ist die Rede. Transporte traumatisieren die Tiere und können in wenigen Stunden die gesamte Arbeit eines Betriebs mit guten Haltungsbedingungen vernichten – um diese zu verhindern, gehörten andere Hebel in Bewegung gesetzt.

Eva Rosenberg, Direktorin von Vier Pfoten, sieht in der starken Unterstützung des Volksbegehrens einen politischen Auftrag. Für realistisch hält sie seine Forderung nicht; zu sehr sei Österreich im Netz der Importe und Exporte verfangen. Für sinnvoller hält sie es, die Transportdauer deutlich zu verkürzen.

Zu viele Hintertüren lasse auch der Export von Zuchttieren offen. Was mit diesen am Zielort passiere, entziehe sich jeder Kontrolle. "Österreich liefert seit 30 Jahren in den Nahen Osten und nach Afrika. Welche Herden wurden dort denn bisher tatsächlich aufgebaut?" Statt lebender Tiere gehörten genetisches Material und die dafür nötige Expertise exportiert.

Teufelskreis

Wunder Punkt in Österreichs Tierschutz ist die Ausfuhr weniger Wochen alter männlicher Kälber nach Italien, Spanien und in die Niederlande. Sie gelten als Abfallprodukt der Milchwirtschaft. Sie zu mästen zahlt sich für die meisten Bauern nicht aus. Zu günstig sind die mit Palmöl und Milchersatz gefütterten, unter Eisenmangel leidenden Kälber aus dem Ausland, an denen sich Österreichs Wirte bedienen.

Um "aus dem Teufelskreis auszubrechen", brauche es Prämien für hierzulande aufgezogene Rinder, sagt Rosenberg. Als "Kalb rosé" zertifiziertes österreichisches Fleisch biete sich ebenso an wie die verpflichtende Herkunftsbezeichnung in der Gastronomie.

Dass sich Missstände nicht über Transportverbote lösen lassen, glaubt auch Sebastian Bohrn Mena von der Initiative Oekoreich. Er sieht viel Potenzial in mobilen Schlachthöfen, im Ausbau der Hof- und Weideschlachtung.

Werner Habermann, Chef der Rinderbörse, nennt Waldhäusls Vorhaben absurd. Schlachthöfe seien hochspezialisiert und auf die Einkaufspolitik des Handels ausgerichtet. 80 Prozent der Rinder und Schweine würden in fünf Betrieben geschlachtet. Kleinere Schlachthöfe wurden wegrationalisiert oder gingen pleite. "Die ganze Wertschöpfungskette muss effizient und billig arbeiten." Dem Volksbegehren nachzugeben hieße, neue Schlachthöfe zu bauen und sie an anderer Stelle zu schließen.

Viel wichtiger wäre es, dass Landwirte hierzulande gehaltene Tiere vermarkten könnten, betont auch Habermann mit Blick auf Großhandel, Gastronomie und Supermärkte.

"Über die Grenze entsorgt"

Millionenfach in der EU gehandelt werden Schweine. Allein Österreich importiert jährlich 300.000 Ferkel. Im Vorjahr wurden diese von Deutschland aufgrund von Überproduktion über die Grenze quasi "entsorgt". Für 30 Euro waren sie für Mäster zu haben – in Österreich aufgezogene Ferkel kosteten damals bis zu 80 Euro, berichten Landwirte.

Geschlachtet werden Schweine vielfach im eigenen Bundesland und überwiegend in der Steiermark, sagt Michael Klaffenböck. Der Chef des Verbands österreichischer Schweinebauern sieht in seiner Branche etliche Baustellen – Probleme mit Transporten zählt er nicht dazu.

Nur einen Schlachthof gibt es hierzulande für Puten, weshalb ein Gutteil der Tiere in Bayern geschlachtet wird. Ein zweiter ist in Oberösterreich geplant, sagt Markus Lukas, Obmann der Geflügelbranche. Bei Hühnern arbeiteten 80 Prozent der Mäster im direkten Umkreis von Schlachtbetrieben. "Unsere Tiere werden nur nachts transportiert, meist innerhalb von zwei bis drei Stunden."

Für die Mast exportiert werden freilich Puten- und Hühnerküken. Andere Länder produzieren ihr Fleisch günstiger, da Pute auf weniger Platz gehalten wird – ein finanzieller Leckerbissen für Industrie und Großhandel in Österreich. (Verena Kainrath, 18.5.2022)