Historisch. Und Schmerzhaft.

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Es hätte so ein schöner Tag werden können für Biniam Girmay. Der 22-Jährige gewann am Dienstag die zehnte Etappe des Giro d'Italia von Pescara nach Jesi im Massensprint und ist damit der erste Profi aus Eritrea mit einem Tagessieg bei einer der drei großen Rad-Rundfahrten. Er ist erst der zweite Fahrer des afrikanischen Kontinents, der eine Giro-Etappe gewinnen konnte. Zuvor war dies nur dem Südafrikaner Alan van Heerden 1979 gelungen.

Bei der Siegerehrung passierte Girmay aber ein Malheur: Beim Öffnen der Champagnerflasche schoss der Korken genau auf sein linkes Auge. Der Tagessieger wurde ins Krankenhaus gebracht. Am Mittwoch wurde bekannt, dass er nicht mehr am Giro teilnehmen kann. "Natürlich bin ich traurig. Aber mein Auge braucht jetzt etwas Ruhe", sagte Girmay.

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Saisonentdeckung

Der Fahrer des belgischen Teams Intermarché-Wanty-Gobert gilt als Entdeckung der heurigen Saison. Im März hatte er mit dem Sieg beim Klassiker Gent-Wevelgem verblüfft, am Dienstag ließ er im Zielsprint Niederlandes Topstar Mathieu van der Poel keine Chance. Längst ist Girmay kein Exot mehr in einer über ein Jahrhundert weiß dominierten Sportart.

In Eritreas Hauptstadt Asmara, wo Girmay 2000 geboren wurde, sorgte dessen Coup für Volkfeststimmung. Im krisengeschüttelten ostafrikanischen Land – im "Human Development Index", der Gesundheit, Bildung und Einkommen misst, liegt Eritrea auf Rang 180 unter 189 Staaten – ist Radsport die ganz große Nummer. Ein Relikt der italienischen Kolonialherrschaft.

Großes Potential

Die Bedingungen in Eritrea ähneln auffallend jenen in Kolumbien, dem größten "Exporteur" von Toptalenten: Girmay kann daheim bei mildem Wetter und in Höhenlagen ab 2300 m trainieren. Gleiche Bedingungen finden sich in Äthiopien und Kenia.

Aus Ost- und Zentralafrika könnte sich ein Radsport-Boom auf höchstem Niveau entwickeln – bislang finden sich unter den rund 550 Profis in den 18 WorldTour-Teams gerade einmal vier schwarze Afrikaner. Das Potenzial des Kontinents, der 2025 (Ruanda) erstmals die Straßen-WM ausrichtet, ist gewaltig.

203 Kilometer

Der Giro geht indes am Mittwoch über 203 Kilometer von Santarcangelo di Romagna nach Reggio Emilia weiter, dabei dürften die Sprinter auf ihre Kosten kommen. Im Gesamtklassement gab es auf dem 196 Kilometer langen Teilstück entlang der Adriaküste keine Verschiebungen. Es führt weiter der Spanier Juan Pedro Lopez vor dem Portugiesen João Almeida (+12 Sek.) und dem Franzosen Romain Bardet (+14).

Der Österreicher Felix Gall kam mit einem Rückstand von 1:02 Minuten als Tages-74. ins Ziel, gesamt ist der Osttiroler nach wie vor 42. (APA, sid, red, 17.5.2022)

Ergebnisse Giro d'Italia vom Dienstag:

10. Etappe, Pescara – Jesi (196 km): 1. Biniam Girmay (ERI) Wanty-Gobert 4:32:07 Stunden – 2. Mathieu van der Poel (NED) Alpecin – 3. Vincenzo Albanese (ITA) EOLO – 4. Wilco Kelderman (NED) Bora – 5. Richard Carapaz (ECU) Ineos – 6. Koen Bouwman (NED) Jumbo. Weiter: 25. Juan Pedro Lopez (ESP) Trek alle gleiche Zeit – 74. Felix Gall (AUT) AG2R +1:02 Minuten – 114. Patrick Gamper (AUT) Bora +7:06 – 118. Tobias Bayer (AUT) Alpecin-Fenix +8:48 – 140. Matthias Brändle (AUT) Israel +18:08

Gesamtwertung: 1. López 42:24:08 Stunden – 2. Joao Almeida (POR) UAE Team Emirates +12 Sek. – 3. Romain Bardet (FRA) DSM +14 – 4. Carapaz +15 – 5. Jai Hindley (AUS) Bora +20 – 6. Guillaume Martin (FRA) Cofidis +28. Weiter: 42. Gall +32:53 Min. – 112. Bayer +1:45:28 Std. – 119. Gamper +1:53:30