"Ja, es ist leistbar, und das muss es auch sein", sagte Heinrich Kugler, Vorstand der Wien 3420 Aspern Development, bei seiner Begrüßung der Teilnehmenden des Wohnsymposiums von DER STANDARD und Wohnen Plus. Gemeint war damit der Klimaschutz im Wohnbau, um die gesteckten Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Wie das funktionieren soll, das diskutierten Expertinnen und Praktiker in der 72. Ausführung der Veranstaltung, diesmal in der frisch-fertigen Kulturgarage in der Seestadt Aspern.

Grafik: Der Standard/Oliver Schopf

Die Einführung in das Thema besorgte diesmal Michael Getzner, Professor für Finanzwissenschaft und Infrastrukturökonomik an der TU Wien. "Unumgänglich" nannte auch er die Erreichung der Klima ziele im Wohnbau und stellte die Frage: Kann privates Kapital als Treiber für die Transformation wirken?

"Zwei Drittel aller aktuellen Investitionen sind nicht grün", fasste er zusammen. Um das zu ändern, brauche es vernünftige Anreize. Ein erster sei die EU-Taxonomie-Verordnung. Diese definiert verschiedene Vorgaben für nachhaltige Investitionen. "Man kann sich die Verordnung wie ein Biolabel für Investitionen vorstellen."

Den Anfang machte Michael Getzner von der TU Wien.
Foto: oreste.com

Für Gebäude gelte die Verordnung nur indirekt. Getzner verwies auf einen Policy-Brief der gemeinnützigen Bauvereinigungen, der die Auswirkungen auf den gemeinnützigen Gebäudesektor zusammenfasst: Beispielsweise muss beim Neubau der Primärenergiebedarf mindestens zehn Prozent unter dem Schwellenwert eines Niedrigstenergiehauses liegen, damit diese Investition unter die neue Verordnung fällt.

Rendite oder Überzeugung?

Allerdings kritisierte Getzner, diese Verordnung sei nicht genug. "Es gibt keinen Mangel an Kapital. Es müssen lediglich die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden." Getzner zeigte mit dem Finger auf die Politik und zählte sinnvolle Maßnahmen auf: Sanierungsrate erhöhen, eventuell durch eine Sanierungspflicht, Lösung für die Eigentümer-Nutzer-Problematik finden, grüne Investitionen attraktiver machen. "Sei es nun mit einer höheren Rendite oder geringerem Risiko."

Optimistisch blickte zu Beginn der Podiumsdiskussion Bernd Rießland, Obmann des österreichischen Gemeinnützigenverbands (GBV), in die Zukunft: Man wisse ja, wie es geht, es müsse nur gemacht werden. Und auch er kam zu dem Schluss: "Das Geld ist nicht das Thema."

Karin Schmidt-Mitscher, Geschäftsführerin des ÖVW, kritisierte, der Neubau sei nicht das Problem, sondern der Bestand. "Hier müssen wir den Kunden besser abholen und ihm klarmachen, was er davon hat, wenn er saniert."

Ein hochkarätiges Podium: Bernd Rießland, Doris Österreicher, Karin Schmidt-Mitscher, Michael Priebsch (von links).
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"Die Politik ist gefordert", brachte es Michael Priebsch, Leiter der Abteilung Großvolumiger Wohnbau bei der Erste Bank, auf den Punkt. Wenn die EU Taxonomie bestelle, dann müsse sie sie auch bezahlen. Und er hielt fest: "Wir müssen es nicht wegen der Rendite, sondern aus Überzeugung machen."

Und Doris Österreicher, Architektin und Dozentin am Institut für Raum-, Umweltplanung und Bodenordnung an der Universität für Bodenkultur, nannte planerische Beispiele, um die Klimaziele zu erreichen. Suffizientes Wohnen, also ein Wohnen, das die menschlichen Grundbedürfnisse befriedigt, ohne dabei ökologische Belastungsgrenzen zu überschreiten, sei das Gebot der Stunde. Und wenn es um die Sanierung des Bestands gehe, sollte das innerhalb ganzer Quartiere geschehen, um positive Nebeneffekte zu bewirken.

In der Folge lenkte Wohnen Plus-Redakteurin und Neu-Moderatorin Franziska Leeb, die sich den Job mit STANDARD-Redakteur Eric Frey erstmals geteilt hat, die Diskussion in verschiedene Richtungen. "Was wir bisher gehört haben, deutet darauf hin, dass wir schon lange wissen, was wir tun müssen. Kann man hier von politischem Versagen sprechen?" Priebsch bestätigte, dass die Rahmenbedingungen erst jetzt gegeben seien, und nahm trotzdem weiter die Politik in die Verantwortung: "Wir Banken werden immer noch vorgeschoben."

Zwölf Mann für 500 Häuser

Doris Österreicher kritisierte derweil, dass die Datenlage zu bestimmten Aspekten unzureichend sei. "Es gibt kein vernünftiges Leerstandskataster, auch ein Überblick über den Sanierungszustand fehlt."

Rießland wollte das nicht als Ausrede gelten lassen: "Wenn keine Daten vorhanden sind, muss man die Dinge halt selbst in die Hand nehmen. Wir haben probeweise drei Gebäude saniert und dann gemerkt, dass die Heizkosten mit erneuerbaren Energien genauso hoch sind wie mit Gas. Und das war vor dem Krieg." Zusätzlich warf er in den Raum, dass die eigentliche Frage nicht sei, wer das bezahle, sondern wer das alles umsetze. "Wir haben einen Auftrag für 500 Häuser aus geschrieben, und es hat sich lediglich ein Zwölf-Mann-Betrieb gemeldet." Der Fachkräftemangel sei real.

Ein Konsens des Podiums war, dass es höchste Zeit für Maßnahmen wird – und dass es am besten bereits gestern passiert wäre, denn man wisse ja, was zu tun ist. Rießland sprach vom "gesunden Menschenverstand", Österreicher etablierte den Spruch "Schiach ist nicht nachhaltig", und Schmidt-Mitscher sprach sich für qualitatives Wohnen durch sinnvolles Planen aus. "Das Geld ist da, die Banken auch", schloss Priebsch ab.

In der Folge kam das Publikum an den Tischen zu den traditionellen Tischgesprächen zusammen. Dabei hatten die Gruppen zwei Fragen zur Auswahl:

1. Wie können die notwendigen Mittel für Klimaschutz im Wohnbau am besten aufgebracht werden?

2. Was muss geschehen, damit Investitionen in den Klimaschutz nicht zu einer weiteren Steigerung der Wohnkosten führen?

Fast alle Tische entschieden sich dafür, die zweite Frage zu diskutieren. Nur ein Tisch riss kurz die erste Frage an: Das Geld sei da, es müsse nur anders gesteuert werden – und die Politik müsse mit positivem Beispiel vorangehen.

Zum ersten Mal gab es das Symposium mit Doppelmoderation: Neben Eric Frey feierte "Wohnen Plus"-Redakteurin Franziska Leeb ihr Debüt.
Foto: oreste.com

Ein Begriff, der mehrfach genannt wurde, war Kostenwahrheit. Die brauche es, um das Wohnen nicht noch unleistbarer zu machen, wie es gerade der Fall ist. Gefordert wurde weiters: Kohle- und Gassubventionen streichen, mehr auf Photovoltaik und Windkraft setzen.

Ein Tisch bekräftigte, dass sich die Frage nach den Kosten nicht stelle, immerhin würden sie so oder so aufkommen, ob nun für den Klimaschutz oder später für die Katastrophenbekämpfung. Außerdem würde langsam, aber sicher der Druck wachsen – immerhin kämen die jungen Leute, die gestern noch auf der Straße waren, in ein Alter, in dem sie Entscheidungen treffen.

Ein weiterer Tisch sprach sich unter anderem für positive Hands-on-Beispiele aus, wie sie Bernd Rießland bereits vorher in der Podiumsdiskussion vorgestellt hatte. Anreize würden ebenfalls nicht mehr ausreichen, es brauche Veränderungen in den Gesetzen, beispielsweise in Form des Mietrechtsgesetzes oder der Einführung einer Sanierungspflicht, wie es bereits Michael Getzner zu Beginn gefordert hatte.

Trend zum Zweitpullover

Auch Energiesparen wurde thematisiert. "Der Trend geht zum Zweitpullover", hieß es von einem Tisch. Damit wurde auch ein Thema aus der Podiumsdiskussion aufgegriffen: dass die Durchschnittstemperatur in österreichischen Haushalten immer weiter nach oben steige.

Der letzte aufgerufene Tischsprecher holte zu einer kleinen Geschichtsstunde aus und erklärte, wie die Gemeinnützigen zwischen 1950 und 1980 ein funktionierendes und leistbares Wohnnetz in Österreich aufgebaut hätten. Gleichzeitig kritisierte er den immer weiter wachsenden privaten Sektor. Denn: "Geben wir den Gemeinnützigen den Auftrag, ökologisch zu sanieren, sind wir schneller als jedes andere Land in Europa." Denn das müsse das Ziel sein. (Thorben Pollerhof, 18.05.2022)