Im Herbst soll er fertig sein, der "Wohnen und Gewerbehof" auf Baufeld H6 in der Seestadt Aspern. Fünf Bauträger bzw. Investoren errichten hier einen gemeinsamen Sockel samt Tiefgarage, auf den fünf Baukörper mit Wohneinheiten gesetzt wurden. Ein sechster Bauteil ist der "Gewerbehof" der Wirtschaftsagentur Wien, der in Sachen Wärmeversorgung auf Fernwärme setzt.

150 Meter tiefe Erdsonden

Der größere Rest des Baufelds aber, die fünf Baukörper mit 270 Wohnungen von den Bauträgern ARE, Aphrodite, EGW und Schönere Zukunft, wird mithilfe von Erdwärmesonden im Sommer gekühlt und im Winter geheizt. Herzstück des auch "Kraftwerk Seebogen" genannten Projekts sind rund 100 Erdsonden, die bis zu 150 Meter tief in die Erde getrieben wurden, klarerweise noch vor dem Bau der Tiefgarage. Genau genommen handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Erdsondenfelder, über die das Erdreich nun als "saisonaler Speicher" sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen genutzt werden kann.

Unterhalb des gemeinsamen Sockels mit der Tiefgarage für den "Wohnen und Gewerbehof" – hier im Bild
der Bauteil der ARE – wurden Erdwärmesonden 150 Meter tief in die Erde getrieben.
Foto: Putschögl

Dieses "Kraftwerk" wird von der Firma Beyond Carbon Energy (BCE; vormals Bau Consult Energy) errichtet und später auch weiter betrieben, "wir sind damit also auch der Energieversorger für das Baufeld", erklärt David Bauernfeind, Head of Project Management and Business Development bei BCE. "Und das ausschließlich mithilfe erneuerbarer Ressourcen, die auf dem Baufeld schon vorhanden sind" – also Geothermie aus dem Boden und Sonnenenergie über Photovoltaik-Module auf dem Dach, um Strom für die Wärmepumpen zu erzeugen.

Über eine sogenannte Anergieleitung sind die Häuser auch unter einander verbunden. "Die Nutzung eines Anergienetzes macht es möglich, mit einem System gleichzeitig heizen und kühlen zu können, und darüber hinaus sind aufgrund des geringen Temperaturniveaus keine thermischen Verluste im Verteilnetz vorhanden", sagt Bauernfeind.

Nicht zum Weiterwachsen

Ab Herbst werden die Wohn- und Geschäftsgebäude (es gibt auch die eine oder andere Gewerbefläche in den Wohnbauteilen) mit insgesamt 18.000 Quadratmetern Nutzfläche "vollkommen frei von fossilen Brennstoffen mit Wärme und Kälte versorgt werden können", sagt der Energieexperte – also auch ohne russisches Gas, das vor ein paar Wochen, mitten in der Bauphase des ganzen Komplexes, so sehr in den Fokus rückte.

Bild von den Erdsondenarbeiten: 150 Meter ging es in die Tiefe.
Foto: BCE

Bis zur endgültigen Inbetriebnahme des Systems erfolgt noch die Installation mehrerer Wärmepumpen in den jeweiligen Technikzentralen der Gebäude. "In den finalen Schritten wird ein Luftwärmetauscher auf dem Dach errichtet, der die Nutzung der Umweltwärme aus der Luft zur Entlastung und Regenerierung des Erdreichs ermöglicht."

Zum "Weiterwachsen" ist das Anergienetz hier aber nicht ausgelegt, im Gegensatz etwa zu jenem im Viertel Zwei, das ebenfalls die BCE errichtet und betreibt. Dort werden auch die beiden Türme, die demnächst gegenüber vom Happel-Stadion errichtet werden, an das Anergienetz angeschlossen werden. (Martin Putschögl, 19.5.2022)