Noch immer beschäftigt der Anschlag die Justiz und Ermittler.

Foto: Matthias Cremer

Eineinhalb Jahre ist der Anschlag nun her, bei dem der islamistische Attentäter K. F. vier Menschen in der Wiener Innenstadt erschoss, bevor die Polizei ihn ausschaltete. Die Ermittlungen, die danach anliefen, waren umfangreich – dutzende Personen gelten als Beschuldigte, acht junge Männer sind in U-Haft. Vermutlich sieben Männer werden wohl bald wegen der Beihilfe zum Mord angeklagt.

Dabei geht es um eine Reihe junger Männer, denen aus unterschiedlichen Gründen vorgeworfen wird, einen Beitrag zum Attentat geleistet zu haben – auch wenn, soweit bekannt, niemand von ihnen in der Nacht des 2. November 2020 tatsächlich am Schwedenplatz zugegen war. Der Attentäter hat die Tat alleine ausgeführt. Ob er dabei mental oder anderweitig unterstützt wurde, müssen die Gerichte nun klären.

Ermittlungsstand

Im Zentrum stehen nun sieben Männer, die als Hauptbeschuldigte geführt werden und zu denen die Ermittlungen abgeschlossen sind. Da geht es auf der einen Seite um die, die dem Attentäter dabei geholfen hatten, an die Waffe zu kommen. Dabei dürfte dessen Kindheitsfreund F. S. aus Wien-Liesing eine wesentliche Rolle zugekommen sein. Der amtsbekannte Jihadist, der wegen Terrorpropaganda im Gefängnis saß, blieb über ein illegales Handy in Kontakt mit K. F. Als dieser ihm davon erzählte, dass er eine Kalaschnikow kaufen wolle, legte F. S. schließlich über einen Mithäftling den Kontakt zu dem Tschetschenen A. M. Der sagte bereits in einer Einvernahme aus, dass er gemeinsam mit dem Slowenen M. O. zumindest die AK-47 und Munition an den späteren Jihadisten verkauft hatte. Von dem zwielichtigen Zweiergespann könnte K. F. auch die Pistole der Marke Tokarew erhalten haben. Allerdings scheint im Fall von M. O. der Vorwurf hinsichtlich Beihilfe zum Mord aus Sicht der Ermittler noch auf wackeligen Beinen zu stehen.

Ebenfalls thematisiert wird H. Z., jener Mann, den die Ermittler als engsten Komplizen des Attentäters ausgemacht haben wollen. Das tun sie auch deshalb, weil dessen DNA auf allen Waffen gefunden wurde, mit denen K. F. den Anschlag ausführte. Sein Anwalt Elmar Kresbach sagt, das könnten aber auch Sekundärspuren sein. Fingerabdrücke wurden keine gefunden. Nach Angaben seiner Ehefrau wohnte der Komplize zweitweise sogar in der Wohnung des Attentäters. Die Ermittler gehen anhand von DNA-Spuren und Mobilfunkdaten davon aus, dass H. Z. und K. F. sich häufig dort aufgehalten haben, die Wohnung aber nur zur Anschlagsplanung diente – weder von H. Z. noch von K. F. konnte etwa eine Zahnbürste gefunden werden. Wobei: Der Attentäter hatte beim Anschlag eine Zahnbürste dabei – und übrigens auch ein T-Shirt für ein kleines Mädchen.

Jihadistentreffen rückt in den Hintergrund

H. Z. war auch beim sogenannten Jihadistentreffen, das im Juli 2020 stattfand. Nach dem Anschlag wurde es als Warnsignal gesehen, dass die Behörden übersehen hatten. Nur: Von den restlichen Teilnehmern des Treffens ist keiner unter den Hauptbeschuldigten. Nicht einmal A. G., der stets als Schlüsselfigur galt, weil er auch in St. Pölten eine Wohnung angemietet hatte, in der er junge Männer radikalisiert haben soll. Außerdem hat er sich laut Abschlussbericht noch in der Nacht vor dem Anschlag mit dem Attentäter getroffen – eine konkrete Anschlagsbeteiligung könne ihm aber nicht vorgeworfen werden.

Am Tag nach dem Treffen versuchte K. F. jedenfalls in der Slowakei, sich Munition zu besorgen. Der junge Mann, der ihn damals in die Slowakei begleitete, ist ebenfalls einer der Männer, denen Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird – obwohl er im März aus der U-Haft entlassen wurde.

Zwei Männer sind als Hauptbeschuldigte gelistet, weil sie erstens schon lange mit dem Attentäter befreundet waren – einer von ihnen wurde sogar einst gemeinsam mit ihm verurteilt, weil die beiden zum "Islamischen Staat" (IS) ausreisen wollten. Und zweitens, weil sie ihm geholfen haben sollen, den Anschlagsort auszusuchen. Am Tag des Anschlags waren die beiden beim Attentäter, laut eigenen Angaben aber nicht in dessen Wohnung. Just zu dem Zeitpunkt rief K. F. bei dem französischen Lokal Le Salzgries an, wo er später schoss. Der Beschuldigte B. K. hatte auf seinem Handy in der Vergangenheit mehrfach die Wörter "Salzgries" und "Marc-Aurel-Straße" – auch die ist in der Gegend – verwendet. Die Ermittler gehen von einer Verbindung zu dem Anschlag auf die Redaktion des französischen Magazins Charlie Hebdo aus. Dass sowohl eine Synagoge als auch eine christliche Kirche in der Gegend sind, soll ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Verfahren wohl im Sommer

Dass der Abschlussbericht nun vorliegt, ist ein Zeichen dafür, dass es nicht mehr lang dauern wird, bis die Anklageschrift vorliegt und in weiterer Folge die erste Verhandlung zum Anschlag stattfindet. Bisher wurden zwar schon zahlreiche Personen verurteilt, die Kontakt zum Attentäter hatten, einen direkten Zusammenhang zum Anschlag gab es da aber nie.

In Anwaltskreisen munkelt man jedenfalls schon seit längerem über eine Verhandlung im Sommer Herbst. Unklar ist noch, wie viele und welche Beschuldigten zu einem Prozess zusammengefasst werden. Dass es mit alldem noch vor dem zweiten Jahrestag des Anschlags losgehen wird, gilt aber als fix. Beschuldigte sind nach zwei Jahren in U-Haft zu entlassen, wenn bis dahin keine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Die allermeisten wurden kurz nach dem Anschlag festgenommen. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 20.5.2022)