Frances Haugen während einer Anhörung im US-Senat 2021.

Foto: AP / Alex Brandon

Um mit den größten Tech-Konzernen über Entwicklungen, Chancen und Herausforderungen des digitalen Markts zu sprechen, wird eine Delegation des EU-Parlaments kommende Woche nach San Francisco fliegen. Anlass hierfür sind die kürzlich abgeschlossenen Verhandlungen zum Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA), die gemeinsam einen neuen Rechtsrahmen für Big-Tech-Konzerne schaffen sollen.

Im Vorfeld dieser Reise lud der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlaments am Mittwoch die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen nach Straßburg ein, um Feedback zur eigenen Leistung einzuholen, offene Fragen zu beantworten – und über mögliche Auswirkungen des neuen Gesetzespaket für die USA und Europa zu sprechen.

Mehr Transparenz

Haugen eröffnete ihren Redebeitrag, um hervorzuheben, dass die Gesetze ein wichtiger Vorstoß seien, weil sie eine wichtige Alternative im Umgang mit Onlineplattformen bieten würden. Bisher seien die Machenschaften von Facebook und Co sehr intransparent und die Entscheidungsalgorithmen noch immer eine "Blackbox", in die niemand hineinsehen könne. "Zum ersten Mal ist es so, dass es Anreize dafür gibt, die Menschen vor den Gewinn zu stellen", sagte Haugen: "Es geht um den Schutz von Interessen aller Bürger."

Die Datenanalystin hob insbesondere die Wichtigkeit dessen hervor, dass künftig auch unabhängige Forscherinnen und Forscher die Funktionsweise von Algorithmen prüfen können sollen. Es gehe darum, dass man sich nicht mehr auf die Aussagen der Unternehmen verlassen müsse, sondern selbst überprüfen könne, ob die Behauptungen auch stimmen. Laut ihr sei "die Zeit des bloßen Vertrauens" mittlerweile vorbei.

Um was es geht

Zu den zentralen Punkten des DMA zählt die Verhinderung einer weiteren Monopolbildung. Außerdem soll Usern eine größere Freiheit bei der Wahl von Onlinediensten geboten und Messenger zur Interoperabilität verpflichten werden. Konzerne wie Facebook und Google wird außerdem verboten werden, Daten über mehrere Dienste hinweg miteinander zu verknüpfen. Persönliche Informationen aus Google Mail und Google Maps sollen also nicht miteinander verbunden werden.

Der Digital Services Act zielt unterdessen auf gesellschaftliche Probleme ab. Zielgerichtete Werbung an Minderjährige soll künftig verboten sein und Algorithmen transparenter sollen gestaltet werden, damit Forschende die Moderationsentscheidungen nachvollziehen können. Dark Patterns, also die irreführende Gestaltung von Webseiten, sollen verboten werden, während E-Commerce-Plattformen wie Amazon verstärkt sicherstellen müssen, dass keine gefälschten Produkte in Umlauf geraten.

Offene Fragen

Die Fragen des EU-Parlaments an Frances Haugen konzentrierten sich am Mittwoch auf die Durchsetzung der geplanten Regeln. Mehrmals kam dabei die Frage auf, was man während des Aufenthalts im Silicon Valley tun könne, um Verständnis dafür zu schaffen, dass die Gesetze keine zusätzliche Belastung bedeuten würden. Gleichzeitig wurde stets die wichtige Rolle Haugens für die Ausarbeitung der Gesetze betont. Ohne ihre Anwesenheit und Hinweisgabe als Whistleblowerin würde es den Rechtsakt in dieser Form nicht geben, sagte die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose, die als Berichterstatterin des EU-Parlaments für den DSA fungierte.

Die Reise ins Silicon Valley soll vom 23. bis 27. Mai stattfinden. In diesem Zeitraum sind Treffen mit den größten Tech-Konzernen, darunter Airbnb, Uber, Google, Apple, Meta, Ebay und Paypal geplant. Auch mit den größten Games-Publishern wird sich die Delegation zusammensetzen, darunter Electronic Arts, Sony, Microsoft, Nintendo und Ubisoft. Besprochen werden sollen dabei Themen wie Lootboxen und Schutzmaßnahmen gegen Videospielsucht. (mick, 18.5.2022)