Zombie-Dreh der Missgeschicke: Romain Duris als Regisseur in "Coupez!".

Foto: Cannes Image/Lisa Ritaine

In einer weniger zerrütteten Welt hätte der Auftakt des Filmfestivals in Cannes klarerweise der Rückkehr des Kinos gegolten. Die Nachwirkungen der Lockdowns während der Pandemie setzen den Lichtspieltheatern auch in einer Filmnation wie Frankreich noch zu, erst langsam findet das Publikum zu alten Gewohnheiten zurück. Am Dienstagabend war im Grand Théâtre Louis Lumière davon jedoch allenfalls am Rande die Rede. Bevor Hollywoodaktrice Julianne Moore das Festival für eröffnet erklärte, gab es bei der Gala außer dem Krieg in der Ukraine kaum ein anderes Thema.

Zuerst kam US-Star Forest Whitaker bei der Verleihung der Goldenen Palme für sein Lebenswerk auf die jüngsten Verwerfungen zu sprechen, hernach wurde in einem Überraschungscoup ähnlich wie dem bei den Grammys sogar der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet und wendete sich mit einer fast zehnminütigen Rede an das festlich herausgeputzte Publikum.

Kein ewiges Leben für Diktatoren

Ein Kontrast – und auch nicht. Denn schon der Akt selbst zeugte einmal mehr von Selenskyjs Geschick, über Kultur den medialen Kanal zu wechseln. Er sprach auch direkt das Kino an hinsichtlich der Notwendigkeit, nun Position zu beziehen. Als "Kronzeuge" bemühte er Charles Chaplin, der 1940 in Der große Diktator Hitler einen Zerrspiegel vorgehalten hat. "Wir brauchen einen neuen Chaplin, der beweist, dass das Kino heutzutage nicht schweigt", so Selenskyj. Seine Schlussnote war sogar verhalten optimistisch: Diktatoren sei kein ewiges Leben vergönnt.

Der diesjährige Eröffnungsfilm, Michel Hazanavicius’ Coupéz!(Final Cut), wollte zu Selenskyjs Aufruf zu politischem Engagement allerdings noch nicht so richtig passen. Der Oscar-Preisträger (The Artist) musste seinen zunächst Z betitelten Film noch umbenennen, nachdem sich ukrainische Filmemacher an dessen Doppeldeutigkeit gestört hatten – der Buchstabe wird in Russland als Symbol der Unterstützung der Invasion genutzt.

Bandes Annonces Cinéma

Coupez! ist jedoch kein politischer Film, sondern eine Metasatire auf kulturelle Aneignung, die Unwägbarkeiten vermeintlich innovativer Produktionskonzepte und den manchmal äußerst geringen Unterschied zwischen echten und falschen Tränen.

Alles ruckelt, vieles fließt

Romain Duris verkörpert einen leidlich erfolgreichen Regisseur, der das Remake eines japanischen Zombie-Erfolgsfilms inszenieren soll. Beim ersten Meeting muss er noch selbst über die Umsetzungsidee lachen: Alles soll in einer 30-minütigen Plansequenz, also in einer einzigen fließenden Szene, gedreht werden. Dass es dann aber mehr ruckelt als fließt (nur die Körpersäfte rinnen ungebührlich), sieht man in den beiden anderen Teilen des Films.

Den Anfang macht die finale Trash-Produktion, ein Film im Film, bei dem sich eigenartige Leerläufe, Nonsensdialoge oder auch nur haarsträubend schlechtes Schauspiel häufen. Im Schlussteil wird man hinter die Kulissen der Produktion geführt, die mit Diarrhö, Alkoholismus und mentaler Unausgeglichenheit bei Personen vor und hinter der Kamera zu kämpfen hat.

Mehr guter alter Slapstick und regressiver Ekelkörperhumor geht eigentlich kaum; mehr Metaebene im Grunde auch nicht: Coupez! ist selbst ein Remake des japanischen Erfolgsfilms One Cut of the Dead von 2017. (Dominik Kamalzadeh aus Cannes, 18.5.2022)