Wink mal! Durch den virtuellen Raum fühlt man sich aufgefordert, bekannte Gesichter zu grüßen. Den schwebenden Geist im Hintergrund sollte man allerdings ignorieren.

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Die Luft in einer Messehalle hat ihren eigenen Duft: ein wenig abgestanden und voll mit Parfumgeruch und mit einer sanften Schweißnote. Man hat sich als Besucher solcher Events daran gewöhnt und diese Mischung auch irgendwie liebgewonnen – bedeutet sie doch auch für die Eingeladenen das Bereisen fremder Städte, Treffen mit Kollegen und das Sammeln neuer Eindrücke.

Künftig könnte man Pressekonferenzen oder Messen allein mit der eigenen Duftnote erleben – so zumindest die Meinung der Österreich Werbung, die mit ihrer ersten "Metaverse-Pressekonferenz" zeigen wollte, wo man die Zukunft der Eventbranche sieht. Um diese Vision besser verstehen zu können, durften am Mittwoch einige Journalisten Zeuge dieser Hybridveranstaltung sein, bei der ein Teil physisch anwesend und der andere Teil nur via VR-Brille zugeschaltet war. Was folgte, war im wahrsten Sinne des Wortes ein Feuerwerk.

Prunkvoll war sie nicht inszeniert, diese Premiere.
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Die "Metaverse"-Idee zerschellte schon daran, dass die Vortragenden keine VR-Brillen aufhatten und damit nicht auf die Reaktionen des VR-Publikums reagieren konnten.
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Socializing

"Im Rahmen des Projekts ‚Virtual Site Inspections‘ macht die Österreich Werbung aktuell Eventlocations durch virtuelle Rundgänge erlebbar", erklärt einer der Moderatoren, den man als virtuellen Avatar auf einer Bühne sitzen sieht. Neben sich sieht man die geladenen Speaker stehen und manchmal auch ungewollt schweben. Die Journalisten, zum Teil auch aus Deutschland und der Schweiz zugeschaltet, befüllen die Ränge, die rund um die virtuelle Bühne aufgebaut sind. Manche blicken sich um, winken oder schicken kurze Nachrichten: "Ach, du auch hier?" In einem begehbaren Nebenraum finden sich noch Dartpfeile und kleine Feuerwerksraketen, die von den Redakteuren gefunden und gleich benutzt werden. "Bitte keine Raketen auf die Bühne schießen", werden die Anwesenden vom Moderator gerügt. Man merkt schnell, es ist eine Spielwiese für die Anwesenden und noch kein erprobtes Setting. Leider gibt es keine Möglichkeit, mit den anderen Anwesenden zu sprechen, sonst würde das Tuscheln wohl die Überhand gewinnen. "Hast du gesehen, wenn man den Controller zur Seite legt, dann liegt die Hand neben dem Körper" oder ähnliche, das ungewohnte Szenario erklärende Gespräche würden den Speakern auf der Bühne wohl wenig Freude bereiten.

Aber genau dieser soziale Aspekt, der Messe- und Konferenzbesuche menschlich so spannend macht, fehlt aktuell zur Gänze. Man setzt sich zu Hause eine VR-Brille auf und lauscht den Sprechern. Danach klinkt man sich, wie auch aus Teams- oder Zoom-Calls, einfach wieder aus. Würde man die Idee weiterdenken und eben nicht nur eine virtuelle PK veranstalten, sondern auch die ganze Messe in diesem Setting abhalten, hätte das mit Sicherheit eine andere Dynamik, von der Mark Zuckerberg und Co seit dem Vorjahr unter dem Terminus "Metaverse" schwärmen. Ein virtuelles Event also, das mehrere Ebenen miteinander verbindet. Auf der virtuellen Messe, egal in welcher Stadt sie ursprünglich geplant war, könnte man dann mit einem Klick auf einen vorbeigehenden Avatar dessen Namen erfahren sowie dessen Arbeitgeber. Damit wäre die erste Rutsche für ein Gespräch bereits gelegt, und man könnte sich, wie früher auf einem der vielen Korridore einer Messe, kurz unterhalten, Kontaktdaten austauschen oder virtuell gemeinsam zum nächsten Hotspot des Events gehen.

Alles fängt einmal klein an, so auch virtuelle Pressekonferenzen.
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Weiterdenken

Der Testlauf, wie diese Hybrid-Pressekonferenz von der Österreich Werbung an diesem Tag auch immer wieder genannt wird, war genau das: ein Test, keine Einladung in das "Metaverse". Derzeit sieht man vor allem die Nachteile eines solchen von anderen Aktivitäten entkoppelten Events – etwa dass man während der Vorträge keine Notizen machen, Mails checken oder die SMS der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners lesen kann. Denkt man die Idee weiter, dann ist natürlich viel Luft nach oben. Tatsächlich hat man im virtuellen Setting mehr Gefühl für das Gegenüber als auf der Kachelwand aktueller Online-Meeting-Tools. Man ist verleitet, auf Leute zuzugehen, sie mit einer Handbewegung zu grüßen oder den virtuellen Raum generell zu erkunden.

Die vielen Möglichkeiten, die sich in weiterer Folge daraus ergeben, würden hier den Rahmen sprengen. Ein paar Gedankenspiele seien aber erlaubt. So könnte man auf einer Tourismusmesse beim Tirol-Stand mit Gästen kurzerhand mit einer Gondel durch eine Winterlandschaft fahren, auf einer Gaming-Messe ein Spiel am Stand ohne langes Anstehen gleich ausprobieren oder auch bei einer Pressekonferenz beim Nachgespräch neue Leute kennenlernen. All das scheint durchaus sinnvoll und gegenwärtig greifbarer als in den Jahren zuvor. Auch wenn man durch diese Entwicklung den vertrauten Duft einer Messehalle wohl nur noch selten wird riechen dürfen. (Alexander Amon, 19.5.2022)