Negativrekord: Die Antisemitismus-Meldestelle verzeichnete einen neuen Höchststand an antisemitischen Vorfällen in Österreich 2021.

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Wien/Brüssel – Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat am Mittwoch im Bundeskanzleramt die "Wiener Erklärung gegen Antisemitismus" zusammen mit einigen EU-Sondergesandten unterzeichnet. Darin wird festgehalten, dass die EU-Mitgliedsstaaten u.a. eine bessere Methodik bei der Erfassung antisemitischer Vorfälle sowie ein umfassendes Meldesystem aufbauen sollen.

Im Bundeskanzleramt sei eine eigene Stabsstelle zur Umsetzung der Ziele eingerichtet worden. Ferner gebe es eine Verdreifachung der Förderungen für die israelitische Kultusgemeinden zur Sichtbarmachung jüdischen Lebens in Österreich. Dazu kämen u.a. Kurse zur Bewusstseinsbildung bei Justiz, Bundesheer und Polizei. Edtstadler räumte ein, dass die hohen Zahlen an antisemitischen Vorfällen des jüngsten Berichts der Antisemitismus-Meldestelle Anlass dazu gäben. In Österreich wurden 965 Vorfälle im Jahr 2021 registriert, ein Plus von 65 Prozent gegenüber 2020.

Anstieg an antisemitischen Vorfällen

Die Antisemitismus-Beauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurrbein, sagte, die Bekämpfung müsse vor allem auf nationaler Ebene passieren, sonst ändere sich die Situation nicht. Bis Ende 2022 sollten die nationalen Strategien der Mitgliedsstaaten auf den Weg gebracht werden. Michael O'Flaherty, Direktor der Europäischen Grundrechte-Agentur konstatierte, dass sich die Lage in Bezug auf Antisemitismus zuletzt verschlechtert hatte.

Auch im Netz sei die Situation viel schlechter geworden, Stichwort "hate online". Es treffe junge Jüdinnen und Juden mehr als ältere. "Das ist auch eine Aufgabe für Europa. Können wir Antisemitismus nicht bekämpfen, ist das auch eine Gefahr für das europäische Projekt. In manchen Ländern gebe es ja nicht einmal Strukturen zur Erfassung von Vorfällen", sagte O'Flaherty.

"Judenfeindlichkeit beginnt nicht in der Gaskammer"

Der Präsident der Israelitischen Kulturgemeinde Wien, Oskar Deutsch, sagte, mit der österreichischen und der europäischen Strategie gegen Antisemitismus werden die Weichen für die Verteidigung von Demokratie und der künftigen Generationen junger Jüdinnen und Juden gestellt. Das Melden von Vorfällen sei die Grundlage der Bekämpfung des Antisemitismus.

"Judenfeindlichkeit beginnt nicht in der Gaskammer, sondern bei Anfeindungen, Verleumdungen und Beschimpfungen", so Deutsch. Jeder Mensch in Österreich, in der EU und auf der Welt könne Zivilcourage zeigen, "im Gasthaus, in der Tram oder auf dem Fußballplatz". Die zweitägige "European Conference on Antisemitism" soll auch künftig in Österreich abgehalten werden, sagte Edtstadler. (APA, 18.5.2022)