Wer in jungen Jahren kein gutes soziales Netz hat, neigt dazu, auch im hohen Alter allein zu sein, zeigt eine Studie. Andere Faktoren dürften einen größeren Einfluss haben – dennoch raten Forschende dazu, früh einzugreifen.
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Die Corona-Pandemie machte es für viele Kinder schwieriger, Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen und aufrechtzuerhalten. Dass ein starkes Einsamkeitsgefühl sich noch jahrzehntelang auswirken kann, verdeutlicht eine aktuelle Studie von Sophie Guthmuller, die an der Wirtschaftsuniversität Wien zu Gesundheitsökonomie forscht. Nicht nur Krankheiten tragen im Alter zu Einsamkeit bei, sondern auch etwa das soziale Netzwerk in der Kindheit und die Bindung zu Eltern, heißt es in der Publikation im Fachblatt "Plos One".

Für die Studie verwendete Guthmuller Umfrageergebnisse von Menschen im Alter von 50 Jahren und darüber. Die Befragten lebten in 17 vor allem europäischen Ländern, einige von ihnen auch in Österreich. Krankheit im Alter ist demnach der größte Risikofaktor für Einsamkeit: Rund 43 Prozent der Abweichungen in den Angaben zur Einsamkeit können dadurch erklärt werden. 27 Prozent sind die Folge von unterschiedlich guter sozialer Unterstützung: Wer etwa oft an sozialen Aktivitäten teilnimmt und viel Kontakt zur Familie hat, hat es leichter.

Einflüsse von Neurotizismus bis zu Computerkenntnissen

Diese Ergebnisse seien zwar erwartbar gewesen, sagt die Autorin. Die Studie zeige aber auch, dass Persönlichkeitsmerkmale und Lebensumstände während der Kindheit signifikant mit Einsamkeit später im Leben zusammenhängen. Die einstigen Lebensumstände machen demnach immerhin 7,5 Prozent der Abweichung aus. Menschen, die in der Kindheit wenige oder keine Freundinnen und Freunde hatten, bei denen sie sich wohlfühlten, hatten in der Studie eine 1,24-mal höhere Wahrscheinlichkeit, später Einsamkeit zu erleben. Bei Menschen, die in der Kindheit eine schlechtere Beziehung zur Mutter hatten, war diese Wahrscheinlichkeit 1,34-mal höher und bei jenen Personen, die in ärmeren Verhältnissen aufwuchsen, 1,21 mal höher.

Darüber hinaus spielt die Persönlichkeit eine wichtige Rolle – sie erklärt gut zehn Prozent der Variation. Vor allem Extrovertiertheit verringert die Wahrscheinlichkeit, sich später allein zu fühlen – im Gegensatz zu neurotischen Persönlichkeitsmerkmalen, die im Durchschnitt das Gegenteil bewirken. Auch viele andere Faktoren spielen eine Rolle – so sind etwa Menschen mit mehr Einkommen und Bildung, aber auch jene mit Computerkenntnissen weniger von Einsamkeit betroffen.

Negative Effekte früh verhindern

Sechs Prozent der Europäerinnen und Europäer bekannten sich in einer Studie aus dem Jahr 2016 dazu, sich meistens einsam zu fühlen. Bei Menschen, die 65 Jahre und älter sind, waren es sogar neun Prozent. Ein Grund, die Erkenntnisse ernst zu nehmen.

Guthmuller weist aber auch selbst in einer Aussendung darauf hin, dass aktuell viele Studien zeigen, wie sehr Kinder und Jugendliche während der Covid-Pandemie mit dem Alleinsein zu kämpfen hatten. Die Wissenschafterin betont, dass es entsprechend wichtig sei, schon früh einzugreifen, um negative Effekte zu verhindern. Nicht nur die psychische, sondern auch die physische Gesundheit kann unter Einsamkeit in Mitleidenschaft gezogen werden. (red, APA, 19.5.2022)