Die meisten Kriegsvertriebenen sind Frauen mit Kindern.

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Wien – Der Krieg in der Ukraine führt zu internationalen Verwerfungen – die Menschen, die vor den Bomben der Russen nach Österreich geflohen sind, ringen um ihren existenziellen Neustart. Die Bedingungen, die sie – großteils Frauen mit Kindern – vorfinden, sind alles andere als ideal.

Verbesserungen, die ihnen das Andocken hierzulande erleichtern würden, sind drei Monate nach Kriegsbeginn immer noch in Diskussion.

Keine Einigung etwa gibt es nach wie vor bei den Zuverdienstgrenzen in der Grundversorgung, die zwei Drittel der rund 70.000 Ukraine-Flüchtlinge in Anspruch nehmen. Derzeit dürfen sie nur 110 Euro pro Monat einnehmen, sonst riskieren sie Unterkunft und Versorgung.

Keine Familienbeihilfe

Kritik kam am Mittwoch auch von SOS-Kinderdorf, weil ukrainische Vertriebene im Unterschied zu asyl- und subsidiär schutzberechtigten Personen kein Anrecht auf Familienbeihilfe haben.

Die Versorgungsbürokratie lässt viele der Vertriebenen ratlos zurück. So etwa Natalia Maltschuk und Kateryna Petrenko (Namen geändert), die sich nach einer Flucht aus der Oblast Kiew, wo sie wohnten, mit ihren Söhnen, zwei 14-Jährigen und einem Dreijährigen, seit 6. April in Wien befinden.

Sie leben im Haidehof, einem vom Arbeiter-Samariter-Bund betreuten 300-Bewohnerinnen-Quartier in Wien-Simmering, jede mit ihren Kindern in einem Einzelraum – und sehen keine Zukunftsperspektive.

Selber Kochen wäre besser

Im Lauf der Wochen hat sich bei den beiden einiger Frust aufgestaut. "Ich dachte immer, die Bürokratie in der Ukraine wäre kompliziert. Aber in Österreich ist alles noch viel undurchschaubarer", sagt die 47-jährige Maltschuk.

Ihr akutestes Problem ist Geldmangel. Maltschuk hat bis dato keinen Cent Unterstützung erhalten. "Dabei bräuchten wir Geld, um Lebensmittel zu kaufen. Die Kinder essen die Fertigmahlzeiten nicht, die wir in der Unterkunft bekommen", sagt Kateryna. Die Speisen seien für sie ungewohnt. "Besser wäre, wir könnten selbst kochen."

Blaue Karte – aber kein Jobzugang

Das jedoch war im Haidehof bis dato verboten; beim Arbeiter-Samariter-Bund überlegt man derzeit, weniger strikt zu sein. Inzwischen behelfen sich Quartierbewohner im Verborgenen etwa mit Reiskochern. Die Lebensmittel beziehen sie durch Gutscheine von privaten Helfern.

Unlängst haben die beiden Ukrainerinnen ihre blauen Karten zugestellt bekommen, die sie als Kriegsvertriebene mit Arbeitsmarktzugang ausweisen. Natalia, die in der Ukraine als Logistikerin in einem Betonwerk gearbeitet hat, erkundigte sich im Austria Center, wo alle Informationen für Vertriebenen zusammenlaufen, wie sie zu einem Job kommen könne. "Dort herrschte eine große Hektik", sagt sie.

Warten auf die E-Card

Ihr wurde mitgeteilt, dass sie auf ihre E-Card warten müsse, bevor sie zum Arbeitsmarktservice gehen und sich als arbeitssuchend registrieren könne. Und sie wurde zum Integrationsfonds geschickt. "Dort wussten sie nicht, was sie mit mir machen sollen", schildert die Ukrainerin.

Die Sache mit der E-Card bestätigt Saskia Schwaiger, Mediensprecherin des Ukraine-Krisenmanagements der Stadt Wien. Es handle sich um eine gesetzliche Vorgabe. Was sie jedoch nicht ganz nachvollziehen kann: "Dass die beiden Frauen seit inzwischen sechs Wochen im Haidehof leben, wundert mich", sagt sie.

Nur notversorgt

Das Großquartier in der Simmeringer Rzehakgasse nämlich sei eine Notunterkunft, eine jener Einrichtungen in Wien, in denen Neuankommende ein paar Nächte verbringen können, um sich für den Verbleib in Österreich oder die Weiterreise zu entscheiden. Für längere Aufenthalte sei es an sich nicht konzipiert.

Warum, fragt Schwaiger, seien Natalia, Kateryna und die Kinder noch nicht in die Grundversorgung übersiedelt, in der es zwar geringe, aber immerhin doch Geldleistungen gebe? Grundversorgungsquartiere gebe es nicht in unbegrenzter Zahl, daher könne der Transfer dorthin "schon einige Wochen" dauern, antwortet Katharina Ebhart-Kubicek, Sprecherin des Fonds Soziales Wien, das die Hilfsangebote für Ukrainerinnen in der Bundeshauptstadt koordiniert.

Erklärbar, aber auf die Schnelle leider nicht zu ändern, ist laut Ebhart-Kubicek auch, warum Natalia und Kateryna bis dato kein Geld bekommen haben. "In einem Notquartier gibt es Rundumversorgung. Bares wird daher nicht ausbezahlt", sagt sie. (Irene Brickner, Levin Wotke, 19.5.2022)