
Mediengipfel 2022 in Lech: Promedia-Geschäftsführer und Neo-ORF-Stiftungsrat Stefan Kröll und Moser-Holding-Vorstandschef Hermann Petz (rechts).
Wien – Stefan Kröll (53) ist alles andere als neu in der Medienbranche, auch auf dem Küniglberg. Aber er sitzt am Donnerstag erstmals als Mitglied des ORF-Stiftungsrats am imposanten Monumentaltisch, der dem ORF-Auge nachempfunden ist. Und dort will er erst einmal ankommen, bevor er über seine neue Tätigkeit beim öffentlich-rechtlich Rundfunk spricht.
Transparenzregeln
Der vom Land Tirol entsandte Stiftungsrat Kröll, einer von insgesamt 35, wird der ÖVP-nahen Mehrheit im obersten ORF-Organ zugerechnet. Sein im Stiftungsrat erfahrener Länderkollege aus Wien, Tourismusdirektor und Sozialdemokrat Norbert Kettner, begrüßte Kröll nur wenige Tage nach dessen Entsendung auf den Küniglberg Ende März mit der Forderung nach schärferen Transparenzregeln für Mitglieder des Entscheidungsgremiums in Österreichs größtem und zudem öffentlich-rechtlichem Medienunternehmen.
Die Aufforderung galt wohl den vielen Beratern, die längst im Gremium sitzen, wie etwa Unternehmensberater Thomas Zach, oder Kommunikationsberatern wie Gregor Schütze und Jürgen Beilein aus dem ÖVP-Freundeskreis, Lothar Lockl (Grüne) oder Heinz Lederer (SPÖ), ebenso Entertainmentunternehmern mit vielfältigen ORF-Berührungspunkten wie Herbert Fechter (ÖVP) und vielen anderen hier schon länger tätigen Interessenträgern, aber eben auch dem Neuzugang Stefan Kröll.
Ihnen allen schreibt das Verfassungsgesetz Rundfunk – wie auch dem Management und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ORF – Unabhängigkeit vor, das Gesetz betont die Verpflichtung zum und die Haftung für das Wohl des ORF in ihrer rätlichen Tätigkeit.
Von Ischgl bis Seefeld, von Achensee bis Zillertal Tourismus
Kröll hält die Mehrheit an der von ihm seit 2003 geleiteten Agentur Promedia, die für zahlreiche Tourismusorganisationen in Tirol tätig ist – von Achensee Tourismus bis Zillertal Tourismus, Tirol Werbung, Innsbruck Werbung und Tourismusverband Paznaun – Ischgl inklusive.
Die Position ist keine einfache: hier Erwartungen von Tourismusverbänden an ihre Public-Relations-Agentur und deren Chef – dort ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit seinen gesetzlichen Vorgaben und Ansprüchen gerade in seiner überregionalen Berichterstattung, von den "ZiBs" bis zum kritischen Reportageformat "Am Schauplatz".
Wie schwierig eine solche Position werden kann, verdeutlicht die Erinnerung an den März 2020, als Ischgl internationale Schlagzeilen als "Kitzloch"-Superspreader-Gemeinde von europäischen Dimensionen machte. "Am Schauplatz" über Ischgl, zunächst mit Fokus auf die ökologische Dimension dieser Form von Wintertourismus, wurde vorerst aus dem ORF-Programm genommen. Im November 2020 sorgte "Gute Nacht Österreich" mit einer Satire ("Für den Zaster riskiert man einen Cluster") für einige Aufregung im ORF und beim damaligen ORF-General.
Kröll betont auf Anfrage, dass er selbst als Journalist gearbeitet habe und sehr gut zu differenzieren und zwischen Journalismus und Public Relations zu unterscheiden wisse, auch seinen Kunden sei das bewusst. Er organisiere auch seit eineinhalb Jahrzehnten den Mediengipfel in Lech, betont er.
Medienmacher-Klausel
Anteile an der Agentur Promedia hält der größte private Medienkonzern in Tirol, die Moser Holding ("Tiroler Tageszeitung"), eines der größten Verlagshäuser in Österreich. Die Moser Holding hält laut Firmenbuch 50 Prozent an der Target Group Publishing GmbH (laut deren Online-Offenlegung, abgerufen am Mittwoch, 100 Prozent). Und diese Target Group, ein Corporate-Publishing-Verlag, hält 18 Prozent an Krölls Promedia.
Das ORF-Gesetz schließt zwar seit der Neufassung von ÖVP und FPÖ 2001 neben Politikerinnen und Politikern sowie Parteiangestellten auch Menschen von ORF-Organen aus, "die in einem Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnis zu einem sonstigen Medienunternehmen stehen". Mittelbare Medienbeteiligungen sind aber von dieser Gesetzesbestimmung offenbar nicht erfasst – sonst könnte Kröll ja nicht in den ORF-Stiftungsrat kommen.
Die Promedia und die Target Group haben ihren Sitz im selben Gebäudekomplex an der Brunecker Straße in Innsbruck wie die Moser Holding – MoHo-Vorstandschef Hermann Petz und Promedia-Manager Kröll können einander quasi über den Hof zuwinken, hätten sie nicht auch sonst nicht selten Gelegenheit zum persönlichen Kontakt.
Österreichs Verlagshäuser verhandeln gerade über den Zeitungsverband VÖZ mit dem ORF unter der Regie von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) über ein neues ORF-Gesetz. Der ORF hofft auf mehr Möglichkeiten für Streaming – auch unabhängig von TV- und Radioproduktionen. Private Verlagshäuser verlangen im Gegenzug etwa deutliche Einschränkungen für orf.at, das bisher noch sehr textlastige Onlineangebot des ORF.
Als eine Art Aufsichtsrat sind Stiftungsräte sehr umfassend über wirtschaftliche Lage und Entwicklung sowie Vorhaben des ORF zu informieren.
Storymachine Austria
Kröll scheint im Firmenbuch auch als Geschäftsführer der Storymachine Austria GmbH auf, an derselben Adresse wie Promedia und Target Group und im Komplex mit der Moser Holding.
Als das Land Tirol – nach STANDARD-Infos auf Initiative von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) – Kröll Ende März in den Stiftungsrat entsandte, hielt die Promedia noch 40 Prozent an der 2020 gegründeten Storymachine Austria. Am 10. Mai 2022 übernahm der deutsche Mehrheitseigentümer die Anteile der Österreich-Tochter komplett – die KMP 2017 GmbH aus Köln, Eigentümerin auch der deutschen Agentur Storymachine.
Die Storymachine, mitbegründet von Ex-"Bild"-Herausgeber Kai Diekmann, berät die Bundes-ÖVP in Sachen Untersuchungsausschuss. Diekmann begleitete Nehammer als "Kanzlerflüsterer" zuletzt zum ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyi und auf seinem umstrittenen Besuch zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Die Agentur in Innsbruck wurde zunächst am 23. Mai als Storymachine Tourismus GmbH ins Firmenbuch eingetragen, im November wurde sie in Storymachine Austria umbenannt, blieb aber bei ihrem Geschäftszweig "Social-Media-Agentur für die Tourismuswirtschaft".
Kröll war am Mittwoch noch neben dem Storymachine-Deutschland-Gründer Philipp Jeßen, früher "Stern"-Onlinechef, als Geschäftsführer der Storymachine Austria GmbH eingetragen.
Als der ORF-Journalist Armin Wolf vor wenigen Tagen twitterte: "Die Agentur 'Storymachine' von Ex-'Bild'-Chef Kai Diekmann, die seit einiger Zeit die ÖVP berät, hat jetzt eine Österreich-Filiale, gemeinsam mit dem neuen Tiroler ORF-Stiftungsrat Stefan Kröll", schrieb ihm Kröll: "Storymachine Austria wurde bereits im März 2020 gegründet mit der ausschließlichen Fokussierung auf die Tourismuswirtschaft. Mit Ende 2021 wurde das Projekt operativ unsererseits (Promedia) beendet, seit 4. Mai 2022 halten wir auch formal keine Anteile mehr." Inzwischen ist das auch im Firmenbuch dokumentiert.
Tourismus und Journalismus
Kröll arbeitete ab 1994 für die "Tiroler Tageszeitung" und verantwortete ab 1995 die wöchentliche Sonderseite "Tourismus- und Freizeitwirtschaft", davor war er nach eigenen Angaben "als Journalist für zahlreiche österreichische und deutsche Medien" tätig. Ab 1998 leitete er die Medienkommunikation der Tirol Werbung und war ihr Pressesprecher. In dieser Funktion, heißt es in der Promedia-Selbstdarstellung, leitete er auch die Krisenkommunikation der Tirol Werbung nach den Lawinenunglücken 1999. Seit August 2003 ist er Partner der Promedia Kommunikation.
Auf der Promedia-Referenzliste steht neben vielen Tourismusorganisationen auch die Tiroler Adlerrunde, ein Kreis politisch gewichtiger Tiroler Unternehmer. (Harald Fidler, 19.5.2022)