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Die Hochzeitssaison hat begonnen, und mit ihr die Zeit der Junggesellenabschiede, bei denen die Partner die letzten Abende in Freiheit verbringen. Umso überraschter war ich, dass ich an eben einem solchen Abend meine erste Begegnung mit einem Apple Airtag im realen Leben machte. Die kleinen Chips dienen eigentlich dazu, Gegenstände wie Schlüssel oder Geldbörsen per GPS mit dem Handy aufzuspüren, wenn man sie verloren hat – an besagtem Abend warnte mich mein iPhone jedoch, dass sich ein fremder Airtag mit mir bewegt. Die Braut hatte nämlich dem Bräutigam einen solchen Chip in die Jackentasche gesteckt.

Damit hier keine falschen Eindrücke entstehen: Als ich den Bräutigam darauf ansprach, grinste er nur wissend und betonte, dass er von dem Chip wisse – er ist nämlich ortsfremd, und der Airtag sollte ihm bei der Koordinierung der Heimfahrt helfen. Eigentlich clever – auch in Anbetracht der Tatsache, dass bei besonders feuchtfröhlichen Polterwochenenden im Ausland einzelne Freunde gerne einmal eine ganz Nacht spur- und planlos im Getümmel verschwinden.

Überrascht hatte mich aber, dass ich die Warnung erst nach ein paar Stunden bemerkte. Denn zu Beginn des Abends war ich in Gespräche vertieft, ohne auf mein Handy zu blicken – das geschah erst, als ich vor einem Club in der Warteschlange stand. Räumlich getrennt vom Bräutigam und somit auch der Möglichkeit beraubt, den Tracker mit dem Handy zu deaktivieren. In der Praxis merkte ich so, was inzwischen schon Gesetzgeber und Gerichte beschäftigt: dass die unscheinbaren Airtags für versuchtes Stalking genutzt werden können und dass – wofür Apple auch kritisiert wird – die Warnungen zu spät und zu unauffällig erscheinen.

In den USA wird bereits an schärferen Gesetzen gearbeitet, um dem entgegenzuwirken. Was wichtig ist, um potenzielle Opfer zu schützen. Zum Selbstschutz und zum Schutz geliebter Menschen ist das Chippen aber eigentlich legitim. Und wäre auch etwas für Nerds wie mich, wenn sie bloß Brot kaufen sollen und dabei wieder einmal "versehentlich" im Elektrofachhandel verlorengehen ... (Stefan Mey, 19.5.2022)