Lothar Lockl ist neuer Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats.

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Kann sich das ausgehen? Ein langjähriger Aktivist und früherer Parteifunktionär, Wahlkampfberater, Koalitionsverhandler, Berater des Bundespräsidenten, ein Kommunikationsagenturchef mit sechsstelligen Aufträgen von Ministerien als einer der höchsten Repräsentanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Eines Rundfunks, dessen Organen wie Mitarbeiterinnen ein Verfassungsgesetz Unabhängigkeit vorschreibt?

Unternehmer Lothar Lockl (53) wirkte zuletzt nicht immer so, als wolle er sich die Funktion des Stiftungsratsvorsitzenden selbst antun. Als etwa geheim gehaltene Koalitionsabsprachen zwischen ÖVP und Grünen über die Bestellung des ORF-Managements und über seinen Vorsitz im Stiftungsrat schwarz auf weiß als Sideletter öffentlich wurden – Lockl war einer der wichtigsten Netzwerker für die Koalition von Türkis und Grün. Als parlamentarische Anfragen Aufträge des Infrastrukturministeriums etwa für den Klimarat zutage förderten. Als vor der im Herbst anstehenden Präsidentschaftswahl seine Beratungstätigkeit für Alexander Van der Bellen wieder releviert wurde.

Keine Wahlkämpfe

Lockls Beratungsvertrag mit Van der Bellen ist mit Jahreswechsel ausgelaufen, sagt er. Und: Wahlkämpfe würde er nicht managen oder beraten, solange er den Vorsitz im Stiftungsrat innehat, das sei "unvereinbar". Für Lockl geht es sich nun aus, am Donnerstag ist er Vorsitzender des obersten ORF-Gremiums geworden.

Dieses hat überschaubare Kompetenzen, doch er ist Sprecher des Stiftungsrats, ein hoher Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das war bisher Norbert Steger, entsandt von der FPÖ, die den ORF aus dem Budget finanzieren wollte, der ORF-Journalisten "unbotmäßige" Fragen und grimmige Gesichter bei Interviews mit Regierungsvertretern vorwarf und zum Abschied über eine Privatisierung des ORF schwadronierte. Das jedenfalls geht sich für Lockl nicht aus.

Lockl und die Grünen haben 2021 im Stiftungsrat, wie vereinbart, mit der ÖVP-Mehrheit für eine neue ORF-Führung gestimmt und dafür zwei Direktorinnen nominiert, die ihnen fachlich, nicht farblich geeignet erschienen. Die Grünen wissen, wie wesentlich für sie eine sehr selbstbewusste, kritische ORF-Information war und ist. Schach, hat Lockl einmal gesagt, hat ihn gelehrt, kurzfristige Taktik und langfristige Strategie zu unterscheiden. Und "damit umzugehen", dass man gemachte Züge nicht zurücknehmen kann. Wie den an die Spitze des Stiftungsrats. (Harald Fidler, 19.5.2022)