Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) appelliert an die Länder, dem Vorschlag zuzustimmen – bislang hatte Kärnten Einwände wegen der Ungleichbehandlung.

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Wie viel dürfen ukrainische Vertriebene in der Grundversorgung dazuverdienen? Geht es nach Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), jedenfalls mehr als Vertriebene aus anderen Ländern in der Grundversorgung. Trotz Kritik von Verfassungsexperten und des Bundeslands Kärnten, man könne Geflüchtete aus der Ukraine nicht bevorzugen, hat Karner das vorgesehene Modell am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal" verteidigt. Man könne nicht "Dinge vermischen, die nicht vermischt werden sollen", rechtfertigt er das exklusive Modell mit dem Sonderstatus, den Ukrainerinnen durch die EU-Richtlinie haben.

Mehr Zuverdienst mit Obergrenze

Das Modell im Umriss: Derzeit liegt die Zuverdienstmöglichkeit für Vertriebene aus der Ukraine bei 110 Euro plus maximal 80 Euro pro Familienmitglied. Das Modell sieht nun vor, dass zwischen Geflüchteten in privaten oder organisierten Unterkünften unterschieden wird – die meisten sind privat unterbracht. Für diese soll nun gelten: Für jeden Euro Zuverdienst über dem Freibetrag von 110 Euro werden 70 Cent eingezogen, 30 Cent dürfen sie behalten. Dabei solle es auch eine Obergrenze geben. Karner appelliert nun an die Länder, dem Vorschlag zuzustimmen.

Kritisiert wird die Obergrenze von Christoph Riedl von der Diakonie auf Ö1. In so einem Fall hätte man zu viel, um in der Grundversorgung zu bleiben, aber zu wenig, um sich eine Wohnung zu finanzieren. "Die Menschen sollen möglichst viel verdienen während der Grundversorgung", sagt Riedl. Erst dann könnten sie einen Beitrag leisten, und "selbstverständlich sollen sie dann etwas beitragen".

Sonderstatus der Ukrainerinnen

Für die größte Kritik sorgt allerdings seit Wochen, dass eine Erhöhung der Zuverdienstgrenze nur für diese Gruppe gelten soll. Karner rechtfertigt das mit einem Gutachten der Uni Linz und der WU Wien, wie der STANDARD berichtete, wonach eine Unterscheidung "sachlich gerechtfertigt" sei. Durch die EU-Richtlinie für vorübergehenden Schutz für Vertriebene, die nach Kriegsbeginn in Kraft gesetzt wurde, erhalten Ukrainerinnen sofort Zugang zum Arbeitsmarkt.

"Die Richtlinie an sich unterscheidet ja schon", sagt Karner. Man solle nicht etwas vermischen, das nicht vermischt werden soll, sagt Karner mit Blick auf die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Flüchtlingen. Dabei erwähnt er im Kontrast zu Geflüchteten aus der Ukraine, denen man wegen dem "Krieg am europäischen Kontinent helfen müsse", die "neuerlich stark steigende Wirtschaftsmigration".

Dem entgegnet Riedl von der Diakonie, dass auch andere Gruppen Zugang zum Arbeitsmarkt haben – etwa subsidiär Schutzberechtigte. "Da kann ich nicht die eine Gruppe anders behandeln als die andere." Damit schlägt er in dieselbe Kerbe wie der Verfassungsrechtler Heinz Mayer, der bereits am Dienstag festhielt, dass Ukrainer und Afghanen nicht unterschiedlich behandelt werden dürften, ohne dass es einen sachlichen Grund dafür gebe: "Der Krieg alleine ist es sicher nicht, sondern es ist die Frage der Bedürftigkeit hier im Inland."

Treffen mit Flüchtlingskoordinator

Diskutiert wird der Vorschlag Karners wohl auch am Donnerstagnachmittag bei einem von Flüchtlingskoordinator Michael Takács organisierten Treffen im Bundeskanzleramt. Angesichts der Klagen von Helfern und Flüchtlingen über Probleme in der Versorgung hat Takács Vertreter von Bundesländern, NGOs und beteiligten Bundesorganisationen eingeladen, um nach Lösungen zu suchen.

Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper kritisierte anlässlich des Asylgipfels neuerlich, dass Österreich beinahe drei Monate nach Kriegsbeginn seinen Verpflichtungen immer noch nicht nachkomme. Geht es nach den Neos, sollen ukrainische Familien zumindest Überbrückungshilfen aus dem Familienhärteausgleich bekommen und Asylberechtigten gleichgestellt werden. Dann wären sie nicht mehr auf die Grundversorgung angewiesen, sondern hätten Zugang zur Mindestsicherung. (Elisa Tomaselli, APA, 19.5.2022)