Außenminister Alexander Schallenberg soll sich beim Thema Entwicklungszusammenarbeit an der Nase nehmen, fordern die Grünen. Der Dreijahresplan für humanitäre Hilfe ist seit Jänner überfällig.

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Bei der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) braucht die Bundesregierung offensichtlich noch ein wenig Entwicklungshilfe. Eigentlich sollte Österreichs Beitrag, weltweit Armut zu reduzieren, Frieden zu fördern und Umwelt zu schützen, längst mit einem Dreijahresprogramm abgesichert sein. Ist er aber nicht. ÖVP und Grüne machen sich wechselseitig dafür verantwortlich.

Andere Länder geben mehr aus

Konkret geht es um eine im Regierungsprogramm vereinbarte schrittweise EZA-Budgeterhöhung in Richtung 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eine verbindliche dreijährige Strategie für humanitäre Hilfe. Zum Vergleich: Derzeit liegt das EZA-Budget bei 0,31 Prozent des BIP. Die Erhöhung ist also nicht ohne, im internationalen Vergleich unter Industrieländern aber Durchschnitt. Deutschland (0,74 Prozent des BIP), Schweden (0,92 Prozent) und Luxemburg (0,99 Prozent) geben mehr für die internationale Entwicklungszusammenarbeit aus.

Ressortzuständig ist Schallenberg

Die Zuständigkeit für EZA fällt in das Ressort von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). "Es wird Zeit, dass das Ministerium in die Gänge kommt", sagte Michel Reimon, Sprecher für Entwicklungszusammenarbeit der Grünen, am Donnerstag zum STANDARD. "Außenminister Schallenberg kann nicht länger passiv bleiben, während eine humanitäre Krise die nächste jagt", so Reimon.

In dieselbe Kerbe schlugen in den vergangenen Tagen Petra Bayr, SPÖ-Sprecherin für globale Entwicklung, sowie zahlreiche NGOs, darunter Care, World Vision, Jugend eine Welt, die Caritas, das Rote Kreuz und der Samariterbund. Die Zeit dränge, so der Tenor, wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine seien Lebensmittelkrisen und Hungersnöte auf der ganzen Welt zu befürchten.

Größtes Budget aller Zeiten

Dem Vorwurf, die EZA zu lähmen, tritt Martin Engelberg, ÖVP-Sprecher für internationale Entwicklung, energisch entgegen. "Für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit sind heuer 125 Millionen Euro budgetiert, für die humanitäre Hilfe stehen 55 Millionen Euro zur Verfügung. Zusätzlich können 46 Millionen Euro für humanitäre Hilfe für die Ukraine und besonders betroffene Nachbarländer sowie für das Welternährungsprogramm zur Verfügung gestellt werden", so Engelberg. Das sei das größte Budget aller Zeiten, "so viel Geld hat noch nie ein österreichischer Außenminister für die EZA und humanitäre Hilfe in die Hand genommen", verteidigt Engelberg Ressortchef Schallenberg.

In einer Stellungnahme des Außenamtes an den STANDARD hieß es am Donnerstag ergänzend, dass im Auslandskatastrophenfonds des Außenministeriums (AKF) im Jahr 2022 das erste Mal über 100 Millionen Euro vorgesehen seien. Im Jahr 2019 waren es noch 15 Millionen Euro.

ÖVP spricht von Blockade der Grünen

Die Auszahlungssummen will Reimon von den Grünen auch gar nicht schmälern. Er und die NGOs pochen aber auf eine Strategie, die verpflichtend festlegen soll, dass auch in den kommenden Jahren das Geld fließt. Ohne diese Sicherheit könne ein Dreijahresprogramm nicht beschlossen werden. Für die ÖVP kommt das wiederum einer grünen Blockade gleich. "Das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2022-24 wurde vom Außenministerium bereits fertiggestellt. Alle relevanten Akteure, einschließlich der Zivilgesellschaft, waren in die Erarbeitung eingebunden. Die derzeit noch ausstehende Zustimmung des grünen Koalitionspartners würde einen raschen politischen Beschluss ermöglichen", heißt es im Außenamt. (Michael Simoner, 19.5.2022)