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Damit das Handy im Ernstfall gute Dienste leisten kann, muss es bei Beginn einer Bergtour vollständig geladen sein. Diverse Apps können in misslichen Lagen helfen

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Der Frühling ist da. Während im Tal bereits die Freibäder geöffnet haben, drängt die Sonne in den Bergen die letzten Schneereste in schattige Nordhänge zurück. Bis die Pflanzenwelt auch in alpinen Höhen ihre ganze Blütenpracht entfalten kann, wird es zwar noch ein wenig dauern. Den Großteil der Bergpfade und Wanderwege hat die starke Frühlingssonne aber längst wieder freigelegt. Zeit also, die über den Winter verstaubte Wanderausrüstung aus dem Schrank zu holen und die nächste Tour zu planen.

Wie wichtig die sorgfältige Planung im alpinen Raum ist, zeigt ein Blick in die Statistik. Durchschnittlich 3.000 Personen verunfallen Jahr für Jahr zwischen Mai und Oktober in den Bergen, für knapp 150 endet der Ausflug sogar tödlich. Als Lebensretter erweist sich in vielen Fällen das Handy. Neben der telefonischen Organisation von Rettungsmaßnahmen können Apps gezielt Alarm schlagen und sogar genaue Standortdaten mit dem Notruf übermitteln. Auf den Geräten selbst können zudem persönliche Gesundheitsinformationen, aber auch Kontaktdaten von Angehörigen hinterlegt werden, um Einsatzkräften ihre Arbeit zu erleichtern.

Die richtigen Notruf-Nummern

"Auf dem Berg gehört das Handy mittlerweile ganz klar zur Notfallausrüstung. Es müssen aber einige Dinge beachtet werden", sagt Gerhard Mössmer vom Österreichischen Alpenverein. "Der Akku muss vollständig geladen sein. Auch ein zusätzlicher Akkupack ist überlegenswert."

Da die mobile Internetverbindung auf dem Berg viel Energie frisst, solle man zur Orientierung Apps verwenden, bei denen das Kartenmaterial vorab heruntergeladen und somit auch ohne Online-Verbindung genutzt werden könne. Um zusätzlich Akku zu sparen, könne man in den Flugmodus wechseln, empfiehlt Bergführer Mössmer.

Für Notsituationen sollte man sich zwei Nummern merken. Während der Euronotruf 112 mit der nächstgelegenen Polizeidienststelle verbindet, die Rettungsmaßnahmen organisieren kann, landet man über den Alpin-Notruf 140 direkt bei der lokalen Leitstelle der Bergrettung. Letztere ist im Gebirge meist die beste Wahl, um schnell und gezielt Hilfe holen zu können.

Notfall-Apps empfehlenswert

Besonders bequem funktioniert das über spezielle Notfall-Apps, wie die in Tirol entwickelte "SOS EU Alp" oder die offizielle App der Schweizer Rettungsflugwacht Rega. Über solche Apps kann die zuständige Einsatzzentrale mit einem Klick verständigt werden und liefert in den unterstützten Regionen automatisch die Standortdaten mit. Das ist möglich, da moderne Handys praktisch durchwegs mit GPS ausgestattet sind.

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Beim Notruf über 112 funktioniert das Mitsenden von Standortdaten derzeit übrigens noch nicht. Dafür kann man die Nummer auch dann nutzen, wenn das eigene Handynetz gerade keinen Empfang hat, aber das Signal eines anderen Anbieters zur Verfügung steht. 112 ist auch die Nummer, die Handys, aber auch smarte Uhren wählen, wenn man die verfügbare Notfallfunktion verwendet.

Hubschrauber als Handymast

Hat man noch Empfang, weiß seine Position aber nicht, kann der mögliche Aufenthaltsort über den nächstgelegenen Mobilfunkmast eingegrenzt werden. Gibt es gar kein Signal, wird es kompliziert. Dann hilft nur noch ein spezielles Gerät, das vom Hubschrauber aus das Handy der verunfallten Person orten kann. Dabei suggeriert das Gerät dem Mobiltelefon, ein Handymast zu sein, und verbindet sich mit diesem. Immerhin 20 bis 30 Personen pro Jahr werden laut Alpinpolizei auf diese Weise gefunden.

Wie fortgeschritten die Technik ist, zeigen smarte Uhren wie die Apple-Watch. Sie hat einen Sensor integriert, der bei einem vermuteten Sturz eigenhändig den Notruf wählt. Die Popularität solcher Geräte führt naturgemäß auch zu einem Anstieg von Fehlalarmen. Im Normalfall lassen sich solche Situationen im Gespräch mit Einsatzkräften aber schnell aufklären.

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Auch Smartwatches wie die Apple Watch können Hilfe holen – teilweise sogar automatisch durch den eingebauten Sturzsensor.
Foto: hocus-focus/Getty Images

"Es ist jetzt nicht so, dass in der nächsten Sekunde der Hubschrauber aufsteigt und man dann auf den Kosten sitzenbleibt", beruhigt Hans Ebner, Leiter der Alpinpolizei. Strafrechtliche Konsequenzen gebe es für Fehlalarme nicht, außer es handle sich um wissentlichen Missbrauch, erklärt Ebner im Gespräch mit dem STANDARD.

Zettel und Stift statt Technik

So wichtig das Handy auf dem Berg sein kann, so überraschend niederschwellig fallen einige der Expertentipps aus. "Vor der Tour sollte man seine Route gut planen, um unterwegs zu wissen, wo man sich gerade befindet. Die Umgebung schildern zu können hilft Einsatzkräften ungemein", warnt Stefan Hochstaffl von der Österreichischen Bergrettung vor einem sorglosen Drauflosspazieren in den Bergen.

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Bergführer Mössmer vom Alpenverein: "Natürlich gibt es heute Apps für alles, von Wetterwarnungen bis zu 3D-Karten mit Hangprofilen, was in den Bergen sehr nützlich sein kann." Darüber hinaus könne man seine Route auch über das eigene Handy aufzeichnen lassen und so den letzten Aufenthaltsort mit Angehörigen oder Bekannten teilen. Akkuschonender und gänzlich unabhängig vom Mobilfunkempfang seien aber ganz konventionelle Werkzeuge: Papier und Stift.

"Tatsächlich empfiehlt es sich, etwa im geparkten Auto eine Notiz zu hinterlassen, auf welcher Route man unterwegs ist, und sich auf dem Weg auf Gipfel- und Hüttenbücher einzutragen. Das sind ganz wichtige Anhaltspunkte, um im Ernstfall schneller gefunden zu werden", sagt Mössmer. (Martin Stepanek, 22.5.2022)