Die Illwerke betreiben zahlreiche Kraftwerke wie dieses am Lünersee. Ein jahrelanges Steuerverfahren plagte das Unternehmen.

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Am Ende war ein Finanzprüfer "heilfroh, mit dem Fall nichts mehr zu tun zu haben, weil man dabei unserer Meinung nach nur verlieren kann". Der Fall, den der Mann 2020 in einer E-Mail an einen Kollegen ansprach: die jahrelange Großbetriebsprüfung beim landeseigenen Vorarlberger Energiekonzern Illwerke, bei der es zu groben Unstimmigkeiten gekommen war. Es ging um höchst komplexe Steuerthemen, in deren Mittelpunkt die Heimfallsrechte des Landes (siehe Wissen unten) standen.

Begonnen hatte die langwierige Geschichte im April 2012 mit einer Großbetriebsprüfung. Bei der kam es zu unterschiedlichen Einschätzungen in Bezug auf die steuerrechtliche Einordnung des Heimfallsrechts. Die Vertreter der Großbetriebsprüfung waren der Rechtsansicht, die Illwerke hätten Abschlagszahlungen ans Land für die Kraftwerknutzung nicht von der Steuer absetzen dürfen. Deshalb stand eine Nachzahlung in der Höhe von dutzenden Millionen Euro im Raum.

"Interventionen hintanhalten"

Allerdings hatten sich die Illwerke schon Anfang der 2000er-Jahre zwei Mal bei der Finanz erkundigt und quasi grünes Licht für ihr Vorgehen bekommen. Solche Auskünfte der Finanz sind aber rechtlich nicht bindend. Und: Die Auskunft sei "offensichtlich falsch" gewesen, hielt der zuständige Sektionschef im Finanzministerium Gunter Mayr in einer E-Mail fest. Wie man heute aus Unterlagen aus dem U-Ausschuss weiß: Land und Illwerke setzten alle Hebel in Bewegung, um ihrer Rechtsansicht zum Durchbruch zu verhelfen. Warum die Heimfall-Causa so speziell war: Es gab keinen Präzedenzfall.

Schon 2014, drei Jahre vor Ausstellung des Steuerbescheids, ersuchte ein Finanzbeamter das Unternehmen, es möge "allfällige Interventionen beim ohnehin belasteten Sektionschef hintanhalten". So richtig dran gehalten hat man sich daran aber nicht. Das Kabinett des damaligen Finanzministers Hans Jörg Schelling erkundigte sich mehrmals nach dem Verfahrensstand, es gab Termine auf höchster politischer Ebene.

"Lieber Gunter"

Auch Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) warf sich für die Illwerke in die Schlacht und meldete sich kurz vor Weihnachten 2015 erstmals beim "lieben Gunter", also bei Sektionschef Gunter Mayr. Der Landeshauptmann nahm auch an Besprechungen teil.

Schleichend änderte sich offenbar die Rechtsansicht des Ministeriums. Der kritische Finanzprüfer wurde – "auf wessen Initiative auch immer", wie er in einer E-Mail an seine Chefin schrieb – von einer Besprechung "ferngehalten". Er warnte davor, dem Vorschlag der Illwerke zu folgen. Deren Rechtsansicht sei nicht vertretbar, ihr zu folgen würde "ich zumindest für mich als Amtsmissbrauch ansehen".

Kurz wirkte es so, als würde das Unternehmen einem Kompromiss zustimmen. Doch dann behauptete der Betrieb, die Großbetriebsprüfung würde ständig "neu erfundene" Sichtweisen präsentieren. "Keineswegs werden wir weiter an einer Diskussion teilnehmen", schrieben die Illwerke an Mayr und beschwerten sich zudem über einen Steuerprüfer. Mit Erfolg: Mayr schrieb dessen Chefin, die "Alleingänge" des Prüfers seien "nicht akzeptabel".

"Persönliche Angriffe"

Der teilte dem Sektionschef seine "Verwunderung" mit und erwähnte "massive persönliche Angriffe". Es sei nicht "unsere Schuld, dass in der Vergangenheit (…) Auskünfte erteilt wurden, die im Gesetz keine Deckung finden". Da werde, wie man so sage, "das falsche Schwein geschlachtet". Die Fachvorständin der Großbetriebsprüfung warf den Illwerken vor, "scheibchenweise das rückgängig zu machen, was (…) besprochen worden ist", teilte sie Mayr mit.

Immer wieder wurde die Schlussbesprechung zur Prüfung verschoben, sodass sogar die Verjährung drohte. Im Winter 2017 hat die Großbetriebsprüfung schließlich die Bescheide über eine Körperschaftssteuer-Nachzahlung in der Höhe von 5,7 Millionen Euro abgeschickt. Wobei: Der zuständige Abteilungsleiter war da gar nicht mehr eingebunden, er wollte nicht mehr mit der Sache befassen. Nun "soll/muss/darf" das Unternehmen "ins Beschwerdeverfahren gehen", hielt ein Finanzbeamter fest.

Vorarlberg bekam Recht

Das haben die Illwerke auch getan und sich dafür mit fünf Gutachten prominenter Rechtsexperten aufmunitioniert. Das sei "zu erwarten" gewesen, schrieb Mayr an seine Mitarbeiter. In einer Besprechung danach fühlte sich einer der Prüfer offenbar ziemlich angegriffen, er habe bei diesem Steuerfall Angst, "strafrechtlich belangt zu werden".

Auch in dieser zweiten Runde kommunizierte Wallner immer wieder mit Mayr und dem damals neuen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP). Das Ende vom Lied: Das für die Illwerke zuständige Finanzamt Feldkirch hob alle Steuerbescheide der Großbetriebsprüfung auf und stützte sich dabei auf Stellungnahmen von Experten des Finanzministeriums, die gegen die Rechtsansicht der Großbetriebsprüfung argumentierten. Ein Erfolg für Vorarlberg, während dem Bund mehrere Millionen Euro entgingen.

U-Ausschuss befragt Wallner

Von Interventionen wollte Sektionschef Mayr bei seiner Befragung im ÖVP-U-Ausschuss Anfang März nicht sprechen. Wallner habe ihn "auf die Problematik aufmerksam gemacht", antwortete er der grünen Abgeordneten Nina Tomaselli, die Dokumente für den Ausschuss angefordert hat. Es sei dann eine "sachgerechte Lösung gelungen", erklärte er.

Wallner sagt, er habe als Eigentümervertreter gehandelt. Mehr dazu könnte man im Juni erfahren. Da wird der Landeshauptmann im U-Ausschuss befragt. (Renate Graber, Fabian Schmid, 19.5.2022)