Technisch und gestalterisch auf der Höhe: Arcadi Volodos.

Marco Borggreve

Als Arcadi Volodos mit Mitte zwanzig die Konzertpodien eroberte, verblüffte er mit atemberaubend virtuosen Klaviertranskriptionen. Doch seine mühelose Beherrschung technisch anspruchsvollster Klavierliteratur rief bald Kritiker auf den Plan, und der Vorwurf der Schaustellerei ließ nicht lange auf sich warten.

Technisch zu brillieren sei eine Sache; die Musik der "großen" Klassiker und Romantiker auf die Tasten zu zaubern eine andere. Nun gastierte der mittlerweile 50-Jährige im Konzerthaus und bewies erneut, dass man die wahren Meister der Interpretationskunst schon nach wenigen Takten erkennt, ganz unabhängig von dem Repertoire, das sie spielen.

Virtuose Kraft

Zum Auftakt servierte der Russe Schuberts großangelegte D-Dur-Sonate, die Gasteiner-Sonate. Das Tempo mit dem er das Allegro mit seinen rauschenden Akkorden und Läufen anpackte, ließ erahnen, welch virtuose Kraft in ihm steckt; die folgenden 40 Minuten verblüffte Volodos jedoch mit Leichtigkeit, tänzerischem Charme und wunderbar idyllischen Passagen. Nach der Pause gab es Schumanns "Kinderszenen", die Volodos im abgedunkelten Saal in hinreißende Stimmungsbilder verwandelte.

Fantastisch, die Fülle an dynamischen Schattierungen und der polyphone Dialog zwischen linker und rechter Hand. Mit einer Attacca subito ging es zur C-Dur-Fantasie über, die Volodos brillant-elegant interpretierte. Auf rauschenden Applaus folgten vier Zugaben von Schumann, Skrjabin, Liadov und Mompou. Auch hier zeigte Volodos seine stille, reduzierte und nach innen gekehrte Seite und entpuppte sich als subtiler Klangzauberer. Keine Spur mehr vom ehemalig hypervirtuosen Tastenlöwen. (Miriam Damev, 19.5.2022)