Im Gastkommentar zeigt Juristin Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez die Mühen der Ebene in der Gleichstellung von Frauen und Männern auf.

Der österreichischen Malerin Xenia Hausner widmete die Albertina im Vorjahr eine Retrospektive. Starke, eigenwillige Frauen sind in ihrem Werk zentral.
Foto: APA / Robert Jäger

Mittwoch, 11. Mai 2022. 11 Uhr. Musensaal der Albertina. Man hatte zur Generalversammlung der "Freunde der Albertina" geladen. Erstmalig auch mich. Bin ich doch seit kurzem "Freundin der Albertina" und unterstütze das Museum in der Erfüllung seiner zentralen Aufgaben: "der Bewahrung, Erforschung und Erweiterung ihrer herausragenden Kunstsammlungen". Schuld daran waren Xenia Hausner, Modigliani und Edvard Munch. Sie gefielen mir zu gut. Ein jeweils einmaliger Ausstellungsbesuch genügte nicht.

Um 70 Euro erwarb ich "365 Tage Albertina und Albertina Modern" – und wurde zur Freundin. Ich war nicht die einzige. 2019, im letzten von der Pandemie unbeeinträchtigten Jahr, kauften über 12.000 Menschen, Männer und Frauen, wie ich eine Jahreskarte. 81 von ihnen erschienen zur Generalversammlung 2022. Gemeinsam lauschten wir andächtig der Begrüßung. Kurz nur, denn plötzlich schien alle Ehrwürdigkeit wie weggeblasen. Ein Raunen ging durch die Sitzreihen, Gelächter brauste auf. "Nein!", "Nein!", "Nein!", riefen ausschließlich Damen erbost aus. Welch unbotmäßiges Vorhaben hatte diese Welle der Entrüstung ausgelöst? Es war die bloße Ankündigung eines unter "Allfälliges" abzuhandelnden Antrags. Nämlich des Antrags eines Mitglieds auf Umbenennung des Vereins "Freunde der Albertina" auf "Freund:innen der Albertina".

"Gleichstellung von Frauen und Männern muss gelebt werden, keine Frage", sagte Direktor Klaus Albrecht Schröder, "eine Umbenennung in ‚Freund:innen der Albertina‘ würde aber auch Nachteile mit sich bringen: schwerere Lesbarkeit und Kosten. Briefpapier, Gutscheine, alles müsste neu gedruckt werden." Das seien die Gründe, warum einerseits Medien hier nicht mitziehen und die Freundeskreise des Belvedere oder des Kunsthistorischen Museums sich ebenfalls nicht umbenennen würden. "Meine persönliche Meinung: Bleiben wir bei Freunde!"

Kleine Musenwelt

Die Worte des Direktors zeigten Wirkung. Denn acht Männer und Frauen votierten für eine Umbenennung, vier enthielten sich lieber, und die verbleibende "überragende Mehrheit, die wir gar nicht zählen müssen", lehnte den Antrag ab. Auf die Idee von Abänderungsanträgen kam niemand. Der spürbare Spott und die Häme zu Doppelpunkt, Binnen-I, Unter- und Schrägstrich oder dem * ließen wohl die letzten unbeugsamen Freunde und Freundinnen verstummen. Unvorstellbar, wie die kleine Musenwelt auf "inter", "trans" und "nichtbinär" reagiert hätte!

Dabei war noch vor diesem Umbenennungsantrag von allen 81 anwesenden Mitgliedern ein "großes Anliegen" abgenickt worden, einstimmig: Wie es die Aufgabe von uns "Freunden der Albertina" ist, wurde der Erweiterung der Kunstsammlung zugestimmt, durch vermehrten Ankauf von Kunstwerken von Frauen. "Wir dürfen Künstlerinnen nicht mehr übersehen", klärte uns der Direktor auf. Gründer Herzog Albert von Sachsen-Teschen sei "auf einem Auge blind gewesen". Seine "Enzyklopädie der Kunst" aus dem 18. Jahrhundert werde "der Mannigfaltigkeit, Vielfalt und Diversität der Gesellschaft nicht gerecht". Man fände darin "fast ausschließlich Kunst von Männern, und zwar weißen Männern".

Überholte Sprachbilder

Dabei fand am gleichen Vormittag nicht unweit von der Albertina in der Hofburg, also ebenfalls in herrschaftlichen Räumen vergangener Zeiten, die Angelobung das neuen ÖVP-Regierungsteams statt. Im Ö1-Morgenjournal meinte Bundeskanzler Karl Nehammer zu den "weniger Frauen im Regierungsteam": "Ist es noch zeitgemäß, solche Fragen zu stellen? "Es sei angebrachter, über Spott und Häme für Mütter, die auch beruflich Verantwortung übernehmen, nachzudenken. Was das mit der Nachbesetzung von zwei Ministerinnenämtern zu tun hat, sei dahingestellt. Dass wir hier noch eine "Herausforderung in Österreich" haben, stimmt.

Häme und Spott. Das blieb mir von diesem Vormittag hängen. Schon mein Deutschprofessor im Gymnasium wusste uns Rechtschreibung mit unvergessenen Bildern einzubläuen: "Merkt euch, herrlich schreibt man mit zwei r, weil es von Herr kommt. Dämlich aber ohne h, weil es von Dame kommt."

Gesellschaftliche Realitäten spiegeln sich in unserer Sprache wider. Das beeinflusst Mädchen und Buben in ihrem Großwerden. Das war 1776 bei der Gründung der Albertina und der Auswahl der Kunstwerke so. Das zog sich 1933 in den Notizen von Edvard Munch fort: "Ich habe meine Kunst immer über alles andere gestellt – und ich empfand Frauen oft als Behinderung meiner Arbeit." Das hörten wir in den 1980ern in den Klassenzimmern und am Familienesstisch. Das ist auch 2022 in den Kreisen, wo Entscheidungen fallen, nicht verschwunden. Ich bleibe Freundin. Trotzdem. (Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez, 20.5.2022)