Martin Grubers Ensemble stemmt sich mit vollem Körpereinsatz gegen die Probleme der Gegenwart.

Foto: Anja Köhler

Da stehen sie und wissen auch nicht weiter. Als wäre alles zu viel. Armselig wirkt es, wie die vier Frauen und zwei Männer nur in Unterwäsche gekleidet über die Bühne kreiseln. Hin und her tragen sie ihre Plastikstühle, eine verzweifelte Tanzchoreografie des Suchens. Doch einen Ort, an dem sie bleiben wollen, finden sie nicht.

Wieder und wieder schickt Martin Gruber die vier Spielerinnen und zwei Spieler seines Aktionstheater Ensembles ratlos suchend über die Bühne. Lüg mich an und spiel mit mir – Pension Europa 02, das am Mittwoch im Vorarlberger Landestheater Bregenz uraufgeführt wurde, ist ein Abend über die große Überforderung angesichts der rasenden Weltlage. Bereits 2014 bearbeiteten Gruber und sein Ensemble diese Überforderung, Pension Europa griff das Zusammenleben in Europa unter verschärften Globalisierungsbedingungen auf.

Jetzt geht es wieder ums Abendland, um das Zusammenleben, diesmal aber in Zeiten des Krieges. Große Fragen stellt Gruber, im Stück wie im Programmheft – um gleich hinterherzuschieben, kein Theaterabend könne sie beantworten. Theater könne im Moment überhaupt nichts, lässt Gruber Schauspielerin Babett Arens gleich zu Beginn sagen. In eineinviertel Stunden arbeiten sich Martin Gruber und sein Ensemble an den großen Krisen ab, Ukraine-Krieg, Klimakrise, Wirtschaftskrise, Demokratiekrise – und kreisen selbstreferenziell nur um sich. Sechs von der Weltlage völlig überforderte Personen erzählen von ihren Befindlichkeiten, prügeln auch mal aufeinander ein.

Theatrale Bewältigung?

Atemlos springen sie durch die Themen, von Horrorfilmen zu gesperrten Pornoseiten in Russland über den ersten Kuss beim Blockflötenlehrer zu Solidaritätskundgebungen für die Ukraine. Michaela Bilgeri verhakt sich in Alltagsrassismus, Tamara Stern beißt einen Kollegen blutig, Luzian Hirzel verteilt Zuckerschlangen, David Kopp schluckt seine Wut hinunter, Babett Arens berichtet von den vielen Flüchtlingen, Zeynep Alan träumt von einer Menschenkette nach Kiew.

Doch die ausgiebig zur Schau gestellte Überforderung der Spielerinnen und Spieler, die die Gesellschaft meint, ist banal. Angesichts des realen Horrors in der Ukraine wirkt es plump, mit ausgestellter Dummheit und Ironie den Krieg, diesen Krieg, alle Kriege theatral bewältigen zu wollen. (Julia Nehmiz, 20.5.2022)