"Wie geht es mit uns weiter? Tja ..." Die junge Frau an der Bushaltestelle vor der Raffinerie zuckt mit den Schultern, zieht an ihrer Zigarette und blickt kurz um sich, ob auch keiner lauscht. "Ich weiß es nicht, uns sagt ja niemand etwas. Aber wir haben große Angst, dass wir unseren Job verlieren". Ihren Namen will sie nicht nennen. Nur so viel: Sie kommt aus Belarus und lebt seit sieben Jahren in Schwedt an der Oder. Genauso lange arbeitet sie in der PCK-Raffinerie am Rande der brandenburgischen Kleinstadt mit ihren 34.000 Einwohnern.

Dort an der deutsch-polnischen Grenze wird seit 60 Jahren russisches Erdöl der Sorte Ural verarbeitet. Täglich kommen 2,5 Millionen Barrel aus Tartastan über die Druschba-Pipeline nach Deutschland. Druschba bedeutet Freundschaft. Aber die wird gerade auf eine harte Probe gestellt.

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Die PCK-Raffinerie ging in der DDR in Betrieb. Bis 1991 stand die Abkürzung PCK für Petrolchemisches Kombinat. Heute ist die Raffinerie ein Gemeinschaftsunternehmen aus der Rosneft Deutschland GmbH (54,17 Prozent), der Shell Deutschland GmbH (37,5 Prozent) und der Eni Deutschland GmbH (8,33 Prozent).
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"Nie hat es Probleme gegeben, auch während des Kalten Krieges nicht. Das Öl aus Russland kam immer", sagt Annekathrin Hoppe (SPD), die Bürgermeisterin von Schwedt. Wenn sie aus ihrem Büro blickt, schaut sie auf die Stadt. Die Raffinerie liegt hinter dem Rathaus. Aber das Thema sitzt Hoppe im Nacken, es frisst mittlerweile fast 100 Prozent ihrer Dienstzeit. "Die Menschen haben große Sorgen", sagt sie.

Abhängig von Öl

Noch fließt und fließt das Öl zuverlässig, ernährt die Menschen, die Stadt, eine ganze Region. 1200 Arbeitsplätze hängen direkt an der Raffinerie, noch einmal so viele indirekt über Zulieferfirmen. "PCK ist Schwedt. Und Schwedt ist PCK", sagt Hoppe. Doch die deutsche Regierung will das russische Öl nicht mehr. Generell in Deutschland nicht und hier in Schwedt auch nicht. Grundsätzlich, hat Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich gesagt, sei das zu schaffen.

In den vergangenen Wochen konnte Deutschland den Anteil seiner Rohölimporte aus Russland drosseln. Nicht mehr 35, sondern nur noch zwölf Prozent der Öl-Importe kommen jetzt von dort. Das Problem: Diese zwölf Prozent gehen an PCK in Schwedt, das den Großraum Berlin/Brandenburg, den Flughafen BER und auch Teile Westpolens mit Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin versorgt. Habeck sucht derzeit nach einer Alternative. Er denkt an die Ostseehäfen von Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) und Danzig (Polen). Von dort könnte man Öl nach Schwedt bringen.

Kompliziertes Firmenkonstrukt

Aber es nicht so einfach. Denn die PCK-Raffinerie gehört mehrheitlich Rosneft Deutschland, einer Tochtergesellschaft des russischen Staatskonzerns Rosneft. Und kaum jemand konnte sich vorstellen, dass der Betrieb bereit sein könnte, anderes als russisches Öl zu verarbeiten. "Es war ein Fehler, sich so auf die Russen zu verlassen, man hätte ihnen nicht so viel Macht einräumen dürfen", sagt eine andere Frau vor der Raffinerie. Nachsatz: "Aber alle wollten ja gute Geschäfte mit den Russen machen."

Der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck will die Belegschaft weder "vergackeiern" noch einen "rosaroten Himmel" malen. Dass es rumpelig werden könnte, gestand er aber ein.
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Allerdings gibt es nun Signale, dass die PCK bereit wäre, auch nichtrussisches Öl zu verarbeiten. "Das überrascht mich positiv. Ich war davon ausgegangen, dass es im Zweifelsfall eine Order von Moskau gibt, es nicht zu tun", sagt Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD).

Erinnerungen an die DDR

Rosneft Deutschland sieht jedoch technische Hürden. PCK sei noch aus DDR-Zeiten für russisches Öl mit seinem hohen Schwefelgehalt konzipiert. Für den Einsatz des weniger schwefelhaltigen Öls aus den USA und Saudi-Arabien müsste die Raffinerie umgerüstet werden. Ähnliches gilt für den Hafen Rostock. Er ist kein Ölhafen, große Tanker können dort nicht anlegen.

"Wir brauchen mehr Zeit, mindestens acht Jahre", sagt Bürgermeisterin Hoppe. Ein schnelles Embargo sei nicht durchzuhalten. Sie will, dass Habeck Schwedt vom Ölembargo ausnimmt. Die Stadt hat Pläne für die Herstellung von grüner Energie in der Schublade. "Es gibt ein großes Industriegebiet und viele gut ausgebildete Facharbeiter in der Stadt", sagt Hoppe und verwehrt sich gegen den Ruch, man sei Moskau-treu in Schwedt: "Die Menschen hier hängen an ihren Arbeitsplätzen, nicht am russischen Öl."

Habeck vergackeiert nicht

Habeck aber hat kürzlich bei einem Besuch keine Zusagen gemacht, dass Schwedt eine russische Extrawurst bekommen könnte. Er sprang in der Raffinerie auf einen Tisch, um von der Belegschaft gehört zu werden. In der ihm eigenen Art versicherte der Minister: "Ich will Sie nicht vergackeiern und Ihnen auch nicht irgendwie den Himmel rosarot malen."

Inmitten von viel Gegend steht die PCK-Raffinerie in Schwedt an der Oder.

Er räumte auch ein, dass es "rumpelig" werden könnte. Dann nannte er drei Elemente, um Schwedt zu erhalten: Öl aus anderen Ländern, Finanzhilfen des Bundes für Mehrkosten und möglicherweise eine Treuhandlösung für das Werk. "Wenn alles drei klappt, dann haben Sie eine Jobsicherheit für die nächste Zeit", meinte er.

Aber ob es funktioniert- das ist eben noch nicht sicher. "Die Angst ist spürbar, dass sich Geschichte wiederholt", sagt Hoppe. Nach dem Zusammenbruch der DDR mussten viele Menschen in Schwedt im wiedervereinigten Deutschland neu anfangen. "Aber", so Hoppe, "es herrschte Vertrauen, dass die politischen Entscheidungsträger das Richtige machen. Jetzt aber sind sich die Menschen nicht so sicher." (Birgit Baumann aus Schwedt an der Oder, 20.5.2022)