Wenn der Spam mal wieder klingelt.

Foto: Alexei Nikolsky / AP

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat so etwas wie eine Renaissance des Hacktivismus gebracht. Gerade der Wunsch, der Ukraine beizustehen, ist es, der viele dazu bringt, sich auf dem elektronischen Weg in den Konflikt einzubringen. In den vergangenen Wochen wurden dabei zahlreiche russische Webseiten und Regierungsorganisationen angegriffen – und damit der normale Ablauf zum Teil signifikant gestört.

Zeitverschwendung

Doch der Hacktivismus endet nicht bei Cyberangriffen, es gibt auch andere Formen, russischen Behörden gehörig auf die Nerven zu gehen. Genau diesem Vorsatz hat sich eine Webseite namens WasteRussianTime.today gewidmet. Über diese ist es möglich, bei zufällig ausgewählten russischen Behörden anzurufen. Ziel ist es, das Gegenüber zu beschäftigen und zu verwirren, wie einer der Betreiber unter dem Pseudonym Shera gegenüber "Wired" betont.

Den Kern der Webseite bildet eine Datenbank mit mehr als 5.000 Telefonnummern von russischen Regierungsorganisationen und Angestellten – größtenteils welche, die durchgesickert sind. So sollen darunter auch zahlreiche Mitarbeiter des Geheimdienstes FSB oder der Duma sein.

Ablauf

Klickt man auf den entsprechenden Knopf auf der Seite, wird eine VoIP-Anruf gestartet – also ein Anruf über das Internet. Zufällig werden dabei 40 Telefonnummern aus der Datenbank angerufen – die ersten beiden, die reagieren, werden dann direkt miteinander verbunden. Infolge können sie sich dann im Gespräch wundern, wer jetzt wen angerufen hat.

Die eigentlich anrufende Person kann hingegen nicht sprechen – und das ist durchaus beabsichtigt. Man wolle damit die Aktivisten davor schützen, sich selbst in Gefahr zu bringen, indem sie unabsichtlich oder leichtsinnig Details verraten, betonen die Betreiber. Dafür dürfen sie zuhören, wie die Behörden verwirrt miteinander sprechen – was natürlich vor allem für jene interessant ist, die des Russischen mächtig sind.

Bugs

Bei "Wired" betont man, dass die Seite derzeit derzeit nur mit Desktop-Systemen funktioniert. Allerdings hätten sich bei Testanrufen tatsächlich einige Personen gemeldet, auch wenn es nur einmal wirklich zu einer Verbindung von zwei Teilnehmern kam. Laut "Shera" arbeite man derzeit noch daran, die technische Umsetzung zu optimieren und Fehler zu beheben.

Keine Illusionen machen sich die Hacktivisten über die zeitliche begrenzte Natur der Aktion. Früher oder später würden die betroffenen Stellen einen Weg finden, die Anrufe zu blockieren. Als Inspiration für die Aktion verweist man nicht zuletzt auf die Aktivitäten von Medien wie Bellingcat oder der russischen Nachrichtenseite "The Insider". Diese hatten sich bei russischen Stellen und Geheimdiensten angerufen, um ihnen unter Vorspiegelung einer falschen Identität geheime Information zu entlocken. (red, 20.5.2022)