Kneissl (li.) könnte ihre Putin-Nähe zum Verhängnis werden, was Sanktionen betrifft.

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Vom Ministerinnensessel am Wiener Minoritenplatz über das Tänzchen mit Russlands Machthaber Wladimir Putin im südsteirischen Gamlitz nun womöglich schon bald auf die Sanktionsliste der EU – und das in nicht einmal vier Jahren: Geht es nach dem Europäischen Parlament, soll die Liste jener, deren Vermögenswerte auf EU-Gebiet wegen ihrer umstrittenen Tätigkeit für das russische Energieunternehmen Rosneft eingefroren werden, um mindestens zwei Personen anwachsen. Neben dem deutschen Altkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder (SPD) wurde in der am Donnerstag angenommenen Resolution auch der Name Karin Kneissl genannt.

Kneissl, von 2017 bis 2019 österreichische Außenministerin von FPÖ-Gnaden, arbeitet auch fast 90 Tage nach Beginn des vom Westen geächteten Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine im Verwaltungsrat von Rosneft, einem Ölkonzern, der weitgehend vom Kreml kontrolliert wird. Als Vorsitzender des Gremiums, dem auch Kneissl angehört, fungiert SPD-Altkanzler Schröder. Auch gegen diesen sollen nach dem Willen der Europaabgeordneten Sanktionen erlassen werden. Am Donnerstag hat zudem der Deutsche Bundestag Schröder einen Teil seiner Sonderrechte als früherer Regierungschef entzogen.

Druck auf Kommission

Der Schritt des Europäischen Parlaments dürfte nun den Druck auf die zuständige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und auf den Außenbeauftragten Josep Borrell erhöhen, einen Vorschlag für die Aufnahme Kneissls und Schröders in die EU-Sanktionsliste vorzulegen. Sollte dieser dann tatsächlich angenommen werden, könnten in der EU vorhandene Vermögenswerte der beiden eingefroren werden.

Im März, wenige Tage nach Beginn des Krieges, hatte Kneissl in Interviews von ihrem "vernichteten Leben" berichtet und von dem Druck, der auf sie ausgeübt werde, ihren laut Medienberichten äußerst lukrativen Job bei Rosneft an den Nagel zu hängen. Die mittlerweile in Südfrankreich residierende Ex-Ministerin hat dies bisher jedenfalls kategorisch ausgeschlossen – mit dem Hinweis auf ein "De-facto-Berufsverbot" in Österreich.

Angebliche Kapitulation

Der Krieg, wegen dem die Ex-Politikerin nun ins Visier der EU-Sanktionen gerät, geht in der Ukraine unterdessen mit unverminderter Härte weiter. In der Hafenstadt Mariupol haben sich russischen Angaben zufolge seit Wochenbeginn 1730 Kämpfer aus dem belagerten Asow-Stahlwerk ergeben. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien mehr als 770 Ukrainer gefangen genommen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Donnerstag mit. Von ukrainischer Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung.

Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) registrierte hunderte ukrainische Kriegsgefangene aus dem Stahlwerk. Auf russische und ukrainische Bitte hin habe ein IKRK-Team bereits am Dienstag vor Ort begonnen, bei ukrainischen Kämpfern, die das Stahlwerk verließen, persönliche Daten abzufragen, hieß es. (Florian Niederndorfer, 19.5.2022)