OMV-Chef Alfred Stern gibt sich schweigsam.

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Von Italien bis Deutschland, von Frankreich bis Finnland, überall in Europa plagen sich Energieunternehmen derzeit mit einer Frage: Wie sollen sie ihre Gasrechnungen beim russischen Monopolisten Gazprom begleichen, ohne dabei die Sanktionen der EU gegen Russland zu verletzen?

Auch Österreichs börsennotierte teilstaatliche OMV, der größte Industriekonzern im Land, steht vor dem Problem. Die Zeit drängt. Noch im Mai (an welchem Tag genau, wird geheim gehalten) ist die nächste Gasrechnung fällig.

Suche nach sanktionskonformem Weg

"Wir arbeiten an der Umsetzung einer sanktionskonformen Lösung", ist seit Wochen der einzige Satz, den die OMV die Öffentlichkeit über diese Problematik der Sanktionen wissen lässt. DER STANDARD hat der OMV einen langen Fragenkatalog dazu übermittelt. Antwort: "Wir arbeiten an der Umsetzung einer sanktionskonformen Lösung."

Worum geht’s? Im März hat Präsident Putin beschlossen, EU-Konzerne müssten russisches Gas in Rubel bezahlen. Weil dies aber klar die Sanktionen verletzen würde, bot Moskau den EU-Unternehmen, die Gas kaufen, ein Schlupfloch: Sie können zwar wie bisher in Euro oder Dollar zahlen, allerdings wird das Geld dann in Rubel konvertiert. Und erst wenn Rubel (nicht etwa Euro oder Dollar) bei Gazprom ankommen, gilt der Kauf als getätigt.

Was die konkrete Abwicklung der Deals betrifft, fordert Moskau, dass die Westunternehmen zwei Konten beim Schweizer Ableger der Gazprombank eröffnen: einer Bank, die zu Gazprom gehört und deshalb nicht den Sanktionen unterliegt. Eines der Konten läuft in Euro oder Dollar, das andere in Rubel. Auf diese Konten wird das Geld eingezahlt, danach in Rubel gewechselt, ehe es bei seinem Ziel Gazprom ankommt.

Russlands langer Arm

Wer sich dem neuen Prozedere verweigert, dem dreht Russland das Gas ab. So geschah es im April bei Bulgarien und Polen (wobei russisches Gas für diese Staaten weniger wichtig ist als etwa für das stark abhängige Österreich).

In den EU-Regierungen überlegt man seit Wochen, was die EU-Konzerne jetzt tun sollen und inwieweit Putins Forderung den Sanktionen zuwiderläuft. Doch bisherige Antworten bleiben vage: Zwei Erklärdokumente der EU-Kommission werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Nur in einem Punkt legt sich Brüssel fest: Am Dienstag sagte ein Kommissionssprecher, dass die Eröffnung des zweiten Kontos bei der Gazprombank – jenes in Rubel – gegen die Sanktionen verstoße. Falls sich EU-Regierungen und -Konzerne darauf einlassen, droht ein Vertragsverletzungsverfahren, das in eine Geldstrafe münden kann. Doch selbst hier herrscht Unklarheit: Am Donnerstagnachmittag kamen Gerüchte auf, wonach die Kommission in Sachen Rubelkonto doch noch einlenken könnte.

Gratwanderung

Vordergründig handelt die komplexe Causa von den Feinheiten des EU-Sanktionsregimes, doch dahinter stecken weit bedeutendere Fragen: Wie weit kommen Staaten dem kriegsführenden Russland entgegen? Weichen sie die Sanktionen auf, nur damit das Gas weiterfließt? Und wie agiert Österreich in diesem Gefüge, dessen Regierung und teilstaatliche OMV in den vergangenen Jahren immerhin als besonders russlandfreundlich galten?

Was andere Staaten betrifft, kennt man die Antworten zumindest teilweise. So erklärte der italienische Energiekonzern Eni am Dienstag, man werde die beiden Konten wie gefordert eröffnen – trotz Drohung der Kommission. Das Gleiche sagte auch der Chef des deutschen Energieversorgers EnBW in der Süddeutschen Zeitung.

OMV lässt viele Fragen offen

Und die OMV? Fest steht – so viel zumindest ist aus dem Umfeld des Konzerns zu erfahren –, dass ein Schreiben aus Moskau betreffend das neue Prozedere in Wien eingegangen ist. Ob es ein echter Vertrag ist oder eher eine Art Erklärdokument, war nicht zu erfahren. Darüber hinaus: Wird die OMV ein Rubelkonto eröffnen, obwohl das die Kommission als sanktionswidrig wertet? Wie gedenkt sie Sanktionsverstöße zu vermeiden? Gibt es Klauseln für den Ausstieg aus Gasverträgen? Und: Wer trägt im neuen Ablauf das Währungsrisiko? Heißt, wer muss bezahlen, wenn sich im Gaskauf der Euro-Rubel-Kurs ändert? Da Gas Millionen Euro kostet, geht es hier um viel Geld; auch Steuergeld, denn es handelt sich bei der OMV um ein teilstaatliches Unternehmen.

Auf all diese Fragen verweigert die OMV Antworten. Und auch Österreichs grüne Klimaministerin Leonore Gewessler, die für Gas-Agenden zuständig ist, gibt sich in der Causa kaum auskunftsfreudiger.

Aus ihrem Büro heißt es nur: "Die OMV bereitet eine sanktionskonforme Zahlung vor und ist dazu auch mit der Österreichischen Nationalbank im Austausch."

Aktualisierung von Donnerstag Abend

Die Lösung könnte nun so aussehen: Gas-Importeure dürfen nach Angaben aus EU-Kommissionskreisen auch ein Rubel-Konto bei der russischen Gazprombank eröffnen. Voraussetzung sei aber, dass sie auf ein anderes Konto ihre Rechnung in den vereinbarten Währungen Euro oder Dollar begleichen, sagten Kommissionsbeamte am Donnerstag. Dies würde im Einklang mit den EU-Sanktionen stehen. Der Tausch von westlichen Währungen in Rubel müsse dann etwa über das zweite Konto von der russischen Seite vorgenommen werden.

Diese Klarstellung zum Rubel-Konto habe man den Mitgliedsstaaten am Mittwoch übermittelt. Man empfehle aber, nach Möglichkeit auf die Einrichtung eines Rubel-Kontos zu verzichten. Rechtliche Konsequenzen habe diese Empfehlung nicht. (Joseph Gepp, Günther Strobl, 19.5.2022)