In der Causa rund um Missbrauchsverdachtsfälle in einem Wiener Kindergarten gibt es nun erste Konsequenzen.

Foto: imago images/imagebroker/ Jan Tepass

In der Causa um Missbrauchsverdachtsfälle in einem Kindergarten in Wien-Penzing gibt es erste Konsequenzen. Freitagfrüh sollen Eltern vor der Einrichtung davon informiert worden sein, dass die Leiterin des Kindergartens nicht mehr an dem Standort tätig ist. Das berichteten mehrere Eltern dem STANDARD.

Diese Information wurde wenige Stunden später in einer eilig einberufenen Pressekonferenz vom zuständigen Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr von den Neos bestätigt. Demnach ist das Vertrauen der Eltern im betroffenen Kindergarten "zerrüttet". Die Kommunikation mit den Eltern in der möglichen Missbrauchscausa sei "nicht gut gelaufen".

Als Konsequenz habe Wiederkehr erste Maßnahmen gesetzt. Demnach "wird es eine neue Kindergartenleitung geben", die alte Führung sei seit Freitag nicht mehr im Dienst. Es gelte, das Vertrauen der Eltern neu aufzubauen. Zudem wird es eine neue Regionalstellenleitung geben, die für den Kindergartenstandort zuständig ist. Die bisherige Regionalstellenleitung ist laut Wiederkehr versetzt worden.

Der Fall sei bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängig, sagte Wiederkehr. Es sei wichtig, "dass Eltern uns, der Stadt und den Gerichten vertrauen".

Staatsanwaltschaft prüft vier Verdachtsfälle

Mittlerweile prüft die Staatsanwaltschaft Wien in vier Fällen den Vorwurf des (teils schweren) sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gegen einen Pädagogen im städtischen Kindergarten. Die erste Anzeige wurde schon vor rund einem Jahr eingereicht. Der Verdacht von Eltern eines Mädchens: Ein Pädagoge könnte das Kindergartenkind beim Wickeln übergriffig berührt haben. Die Kindergartenleitung meldete den Verdachtsfall, die Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Der Pädagoge wurde umgehend vom Dienst mit den Kindern abgezogen.

Weitere Eltern wurden beim Aufkommen des Verdachtsfalls vor 13 Monaten durch die MA 10 (Kindergärten) aber nicht informiert. Sie erfuhren erst vergangene Woche über einen externen Verein, der auf das Thema sexuelle Gewalt spezialisiert ist, von dem Verdachtsfall. Diesen hatte die MA 10 unmittelbar nach Aufkommen des möglichen Verdachtsfalls bereits im Vorjahr beigezogen.

Danach erfolgten weitere drei Anzeigen gegen den Pädagogen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Wiederkehr hatte schon vor Tagen kritisiert, dass die Eltern am Standort viel zu spät über die mögliche Missbrauchscausa informiert worden seien.

Elternabend am Donnerstag

Am Donnerstagabend fand auf Betreiben der Stadt ein Elternabend statt. Verunsicherte Eltern machten dort auch ihrem Ärger über die Informationspolitik nach dem Missbrauchsverdachtsfall vor mehr als einem Jahr Luft. Eltern, die an der Veranstaltung teilgenommen haben, berichteten dem STANDARD über eine hitzige, emotionale Atmosphäre. Eltern sei angeboten worden, ihre Kinder an einem anderen Standort unterzubringen.

Stadtrat Wiederkehr verwies darauf, dass die personellen Maßnahmen auch Konsequenzen des Elternabends seien. Er habe mitbekommen, dass das Vertrauen der Eltern "zerrüttet" sei. Zusätzlich werde es weitere Unterstützung am Standort für Eltern, Kinder sowie Pädagoginnen und Pädagogen geben – etwa durch das Kinderschutzzentrum sowie den Verein Möwe. Auch eine Mediation zwischen Eltern und Pädagogen werde es geben.

Für mögliche zusätzliche Maßnahmen will Wiederkehr zunächst Ergebnisse einer Kommission abwarten. "Dann wird es weitere Schritte und mögliche Konsequenzen geben."

Kommission im Auftrag der Stadt eingerichtet

Denn die Vorwürfe untersucht neben der Staatsanwaltschaft auch eine Kommission im Auftrag der Stadt. Dieser gehören Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs sowie jeweils ein Vertreter des Kinderschutzzentrums Möwe und der MA 11 an. Am Mittwoch fand die erste Sitzung statt, Anfang Juli soll es einen Bericht geben. Eines der Ziele ist, den Ablaufprozess vom ersten Verdachtsfall weg zu prüfen. Ein weiteres Ziel ist aufzuzeigen, "wo Behörden etwas besser machen können", wie es Nik Nafs formulierte.

Rechtsanwalt Johannes Bügler – er vertritt fünf Eltern, die ihre Kinder im betroffenen Kindergarten haben – äußerte Zweifel an der Unabhängigkeit des Gremiums. Er forderte, dass auch Eltern in der Kommission vertreten sein sollten, etwa durch eine Vertrauensperson.

Wiederkehr verwies am Freitag auch darauf, dass die Stadt ein Kinderschutzkonzept ausarbeiten werde. Kinderschutz müsse einen noch höheren Stellenwert erhalten. Die Frage sei, wie die Stadt in Prozessen noch besser werden und Kindern ein sicheres Umfeld bieten könne. "Mein Ziel ist, Kinder in der Stadt zu schützen." (David Krutzler, 20.5.2022)