Drei Kilometer unter der Wiener Oberfläche wurde heißes Wasser gefunden, das zur Energieversorgung genutzt werden könnte. Die Zone liegt zwischen der Donaustadt und Simmering.
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Die Suche nach neuen, möglichst nachhaltigen und erneuerbaren Energieträgern ist im Zuge der Klimakrise und des Ukrainekriegs noch dringlicher geworden. Im Kontext eines möglichen Gasboykotts Russlands ist einer der Hoffnungsträger die Geothermie. Auch in Wien vermutete man große Energiereserven in Form von heißem Wasser unter dem Stadtgebiet. 2012 wurde eine Bohrung jedoch ein teurer Fehlschlag. Vor einem neuen Versuch hat man 2016 ein umfangreiches Sondierungsprojekt gestartet, das zuletzt Grundlagen zur Einschätzung lieferte: In 3.000 Meter Tiefe wurde ein Reservoir heißen Wassers geortet.

Das Aufspüren derartiger Energiereserven sei "ebenso eine technische wie eine wissenschaftliche Herausforderung", sagt die Geophysikerin Maria-Theresia Apoloner von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). "Man hat mittlerweile mehr Möglichkeiten als 2011. Das Forschungsteam hat an über 16.000 Messpunkten gemessen und dabei etliche Terabyte Daten gesammelt. Damit konnten wir nun erstmals ein detailliertes 3D-Modell des Wiener Untergrunds erstellen."

Große Investitionen, großer Druck

Fündig wurde man in einer porösen Gesteinsschichte namens "Aderklaaer Konglomerat". Es befindet sich unterhalb eines Gebiets, das von Donaustadt bis Simmering reicht. "Unser Zielhorizont lag eigentlich in vier Kilometern Tiefe." Nun wird man deutlich weniger tief bohren müssen, um an die heißes Wasser führenden Schichten zu kommen, die dank einer ersten Schätzung von Wien Energie bis 2030 bis zu 125.000 Haushalte mit Wärme versorgen könnten.

Im Gegensatz zu "oberflächennaher Geothermie", die etwa für Wärmepumpen genutzt wird, ist "Tiefe Geothermie" die Gewinnung von Wärmeenergie aus einer Tiefe ab 300 Metern. "Tiefe Geothermie macht dort Sinn, wo viele Menschen leben und ein Fernwärmenetz vorhanden ist", erklärt die Seismologin, die das Energie-Forschungsprojekt "GeoTief Wien" kommende Woche bei der Hauptversammlung der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) vorstellen wird.

An dem Projekt sind unter der Leitung von Wien Energie neben der ZAMG unter anderem das Austrian Institute of Technology (AIT), die Geologische Bundesanstalt, die Montanuniversität Leoben sowie OMV und die RAG Austria AG beteiligt. Die zur Erschließung nötigen Investitionen sind nicht unbeträchtlich. Der Druck auf die Forschenden wie auf die Technikerinnen und Techniker, die mit ihrer Bohrung genau im Zielgebiet landen sollten, ist daher groß.

Gefahr von Erschütterungen

Doch neben dem geologischen Risiko kann es bei Geothermieprojekten auch ein seismologisches geben: Gerät man mit der Bohrung in eine Störungszone, so besteht die Gefahr, beim Einpressen des Wassers Erschütterungen auszulösen. Die Wissenschaft spricht dann von "induzierter Seismizität". Dabei handelte es sich bei hydrothermaler Nutzung meist um nicht spürbare Mikro-Beben, betont Apoloner.

Es gebe freilich auch Extrembeispiele bei petrothermaler Nutzung, bei der nicht natürlich vorhandenen Wasserdampf oder Thermalwasser genutzt wird, sondern die im Gestein gespeicherte Wärme. Zu diesen zählt ein Beben 2017 in Pohang in Südkorea mit einer Magnitude von 5,5 und über 2.000 beschädigten Gebäuden – sowie eines in Basel 2006 mit einer Magnitude von 3,4.

Fernwärme steigern

Vor allem der letzte Fall sei "exzellent beforscht" und gebe Handlungsanleitungen für zukünftige Geothermieprojekte. Vor allem gelte es, die betreffenden Verwerfungen schon im Vorfeld unter genauer seismologischer Beobachtung zu halten, um später zu wissen, ob sich kleinere Erdbewegungen im Rahmen des bisher Gewohnten hielten oder tatsächlich durch die geothermische Nutzung hervorgerufen wurden. Weiters müsse man versuchen, mit der Bohrung nicht direkt auf eine Verwerfung zu treffen und den Wasserdruck zu kontrollieren, sagt die Wissenschafterin.

Insgesamt sei Tiefe Geothermie jedoch sicher und werde auch in Österreich ein wichtiger Baustein für den künftigen Energiemix werden, schätzt Apoloner. Der Verein Geothermie Österreich teilt mit, dass hierzulande dadurch der Anteil erneuerbarer Energie in der Fernwärmeerzeugung von 46 (im Jahr 2016) auf bis zu 86 Prozent im Jahr 2050 erhöht werden könnte. Laut dem Verein werden erst fünf Prozent des Potenzials der Tiefen Geothermie in Österreich genutzt, der mögliche Anteil dieser Energiequelle an den notwendigen CO2-Einsparungen sei enorm. (APA, red, 20.5.2022)