Mehr als acht Millionen Euro kostete die Errichtung und der Betrieb der "Waste 2 Value"-Anlage in Wien-Simmering bisher. In den nächsten Monaten sollen hier unterschiedlichste Abfälle weiterverarbeitet werden.

Foto: Jakob Pallinger

Eine Kreislaufwirtschaft ist nicht rund, sondern eckig: Dutzende aluummantelte Rohre in unterschiedlicher Größe winden sich um hunderte Ecken zu einem rechteckigen Gebilde, das rund 15 Meter in die Höhe reicht. "In der Größenordnung ist diese Anlage ein weltweites Unikat", sagt Philipp Krobath. Er führt über die Stufen bis in den vierten Stock der Anlage, von wo aus der Blick über die Müllverbrennungsanlage Simmeringer Haide reicht. Jedes Jahr kommen hier mehrere hunderttausend Tonnen Müll und Klärschlamm aus Wien an, werden dann verbrannt, um daraus wieder Strom und Wärme zu erzeugen.

Doch aus dem Abfall könnten auch andere Dinge entstehen, ist Krobath überzeugt. Er ist Projektleiter der neuen Anlage in Wien-Simmering, an der die Wien Energie, das Forschungsunternehmen Best, die TU Wien und andere nun ein Jahr lang gebaut haben und dessen Errichtung und Betrieb mehr als acht Millionen Euro gekostet hat.

Bei Energieversorgung helfen

In den nächsten Monaten soll hier aus dem Wiener Hausmüll, Klärschlamm oder etwa aus Holzabfällen und Plastikresten sogenanntes Synthesegas entstehen. Daraus lässt sich im Anschluss wiederum Rohöl und in weiterer Folge Diesel oder Kerosin herstellen, das für Busse, Lkws oder im Flugverkehr eingesetzt werden könnte. Aber auch grünes Gas, grüner Wasserstoff und Grundstoffe für die chemische Industrie soll die Anlage liefern. Das soll eines Tages nicht nur den Klimaschutz vorantreiben, sondern auch bei der Energieversorgung Österreichs helfen.

Doch noch ist die Anlage im Forschungsbetrieb und noch nicht für die größere Produktion ausgelegt. "Wir müssen erst testen, ob und wie gut das alles funktioniert", sagt Krobath. Denn der Vorgang, aus Abfall neuen Treibstoff herzustellen, ist äußerst komplex: Der Abfall muss in der Anlage zuerst bei hohen Temperaturen verbrannt und das daraus gewonnene Gas dann in vielen Schritten gereinigt werden, um am Ende etwa zu Treibstoff verarbeitet werden zu können.

Philipp Krobath glaubt, dass in der Anlage viel Potenzial steckt. Weltweit sei sie in dieser Größe ein Unikat.
Foto: Jakob Pallinger

Bessere Kreislaufwirtschaft

Krobath führt zum Herzstück der Anlage: zwei gewaltigen Rohren, die in der Mitte durch das Bauwerk führen. Das sei das sogenannte Zwei-Bett-Wirbelschichtsystem, sagt er. Dieses ermögliche es, etwa aus Holzresten, aber eben auch aus Klärschlamm oder anderen Abfällen das Synthesegas herzustellen. Das soll künftig die Kreislaufwirtschaft vorantreiben. Denn aus erneuerbaren Abfällen könnte damit wieder CO2-neutraler Treibstoff entstehen. Verwende man bei der Herstellung Plastikreste, könne man zumindest auch nicht erneuerbare Stoffe mehrfach nutzen, so Krobath.

Allein für das Heizen sei das aus Abfällen hergestellte Gas allerdings viel zu schade. Vielmehr sollen daraus höherwertige Produkte für Sektoren entstehen, die sich in den kommenden Jahren nur schwer dekarbonisieren lassen, beispielsweise grüner Diesel für den Schwerverkehr oder Kerosin für den Flugverkehr. Nicht zuletzt deshalb ist auch die OMV an dem Projekt beteiligt. Sie will das Synthesegas in der eigenen Anlage in Zukunft wieder zu Diesel und Benzin veredeln. Dem Vormarsch der Elektromobilität im Pkw-Verkehr wird das allerdings kaum etwas entgegensetzen können.

Diesel für Busse

Ohnehin steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen. Alle drei Wochen wolle man die Anlage in den kommenden Monaten mit unterschiedlichen Abfällen testen, um zu sehen, welche sich für die Herstellung des Gases am besten eignen, sagt Krobath. Rund 60 Liter synthetischer Diesel ließen sich etwa mit der Anlage pro Tag erzeugen. Im Jänner nächsten Jahres soll damit zum ersten Mal ein Bus der Wiener Linien unterwegs sein, um zu sehen, wie effizient und sauber der so hergestellte Treibstoff ist.

Um künftig synthetische Treibstoffe und grünes Gas in kommerziellem Stil herzustellen, müsste die Anlage aber um ein Vielfaches größer sein, sagt Krobath. Er schätzt, dass es eine solche größere industrielle Anlage, die aus Müll oder Klärschlamm Synthesegas erzeugt, in zehn bis zwölf Jahren geben könnte – sofern die Technologie auch funktioniert.

Im Moment noch teurer

Der Preis für den damit hergestellten synthetischen Diesel könnte dann bei 1,40 Euro pro Liter ohne Steuern liegen, schätzt Krobath – er wäre also zwei- bis dreimal so hoch wie jener für fossilen Diesel. Kommt in Zukunft eine steigende CO2-Steuer, sehe der Vergleich aber schon wieder anders aus.

Für die unmittelbare Energiewende wird die Anlage vorerst wohl kaum eine Rolle spielen. Es wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen, wie sehr es gelingt, Abfall tatsächlich wieder in neue Treibstoffe zu verwandeln – und ob die Stadt und der Bund bereit sind, das Projekt auch in Zukunft zu fördern. Vielleicht können wir dann im übertragenen Sinn eines Tages tatsächlich mit unserem Müll in den Urlaub fliegen. (Jakob Pallinger, 20.5.2022)