An der École 42 in Paris sind derzeit rund 4200 Studierende inskribiert.

Foto: 42 / Philippe Couett

An der internationalen Programmierschule lernen die Studierenden ohne Lehrpersonal, dafür von- und miteinander.

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Eine Hochschule ohne festen Studienplan und Lehrende, dafür mit Games: Nach diesem Prinzip funktioniert die École 42 in Paris. Die Programmierschule wurde 2013 vom französischen Milliardär Xavier Niel ins Leben gerufen und soll den Firmen jene Fachkräfte liefern, die momentan fehlen. Die Ausbildung ist kostenlos, Financiers sind neben Niel zahlreiche Unternehmen – unter ihnen Tech-Größen aus dem Silicon Valley.

Ihren Namen hat die Schule von Douglas Adams’ Roman Per Anhalter durch die Galaxis – in diesem ist 42 die Antwort auf die Frage "nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest". Das Konzept ist auch international erfolgreich. Im Oktober eröffnet die Programmierschule mit Wien ihren 42. Standort. Ein weiterer ist für 2025 in Amstetten (Niederösterreich) geplant. Finanzielle Unterstützung gibt es hierzulande von Partnern wie der Raiffeisen Bank International oder der Umdasch Group Foundation.

In den USA hatte man zunächst Schwierigkeiten, sich zu etablieren, räumt 42-Vienna-Geschäftsführer Grégoire Besnier ein, weil die Ausbildung – im Gegensatz zu konventionellen Hochschulen – gratis sei. Am europäischen Markt sei dies zwar kein Problem, ob das Konzept auch in Österreich ankomme, beschäftige ihn dennoch. Schließlich hätten Titel hierzulande nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Keine Voraussetzungen

Der Abschluss wird nämlich nur mit einem Zertifikat bestätigt. Voraussetzungen für die Teilnahme gibt es dafür keine – auch ohne Matura kann man sich anmelden. Einen Nachteil bei der Jobsuche habe man dadurch keinesfalls, versichert Sophie Viger, Softwareentwicklerin und Direktorin von 42. Das bestätigt auch Renaud, er hat die Coding-Schule in Paris von 2016 bis 2018 besucht. "Schwierigkeiten, einen Job zu finden, hatte ich nie. Auch als 42 noch nicht so bekannt war. In der IT stehen die Skills im Vordergrund, und die lassen sich im Bewerbungsprozess überprüfen."

Aktuell sind etwa 15.000 Studierende an der Hochschule inskribiert – davon 4200 in Paris. In Wien wird es im Herbst 150 Plätze geben. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll das Angebot dann auf 450 Studienplätze ausgeweitet werden. Das Curriculum ist überall gleich und besteht aus 21 Modulen, genannt "Spiel-Level". Ähnlich wie bei Online-Teamspielen komme man auch hier nicht im Alleingang weiter. "Man muss sich mit anderen zusammentun, um die verschiedenen Aufgaben zu lösen", erklärt Viger. Die Ergebnisse werden anschließend von Mitstudierenden bewertet. Deadlines gibt es keine. Die Schnellsten absolvierten das Studium in 18 Monaten, andere brauchten fünf Jahre. Einige würden die Ausbildung auch gar nicht beenden, weil sie davor einen Job finden oder ein eigenes Unternehmen gründen.

Im letzten Jahr lag der Frauenanteil am Standort Paris bei rund einem Drittel.
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350.000 Bewerbungen gab es im letzten Jahr für 4300 Studienplätze. Ausgewählt wird mit einem zweistufigen Selektionsverfahren: Jene Kandidatinnen und Bewerber, die einen Onlinetest bestehen, lernen vier Wochen lang im "Piscine" die Programmiersprache C. Nach der ersten Woche würden zwischen 15 und 20 Prozent abbrechen. Etwa die Hälfte bis ein Drittel überstehen das Intensivtraining und schalten die weiteren Lerninhalte frei. Danach liegt die Dropout-Rate bei 30 Prozent. Zum Vergleich: Ein Informatikstudium an einer Universität oder Fachhochschule brechen rund 40 Prozent der Studierenden ab.

Frauenanteil erhöhen

Nur 40 Prozent der Anfänger hätten zudem bereits Programmiererfahrung. Technisches Vorwissen sei auch nicht notwendig, ist Viger überzeugt. Kreativität und Problemlösungskompetenz seien wichtiger. So kommt es, dass manche Studierende zuvor Geistes- oder Sozialwissenschaften studiert haben. Andere kommen direkt von der Schule oder haben eine Ausbildung abgeschlossen, wie Etienne, der früher als Koch gearbeitet hat. "Es gibt so viele Bereiche in der Software-Entwicklung, die mich interessieren. Obwohl ich bis vor kurzem keine Zeile Code schreiben konnte", erzählt er.

Ähnlich geht es auch Lucrèce, die nach ihrer unsicheren Beschäftigung in der Modebranche eine Karriere als Freelancerin in der IT anstrebt. Als Mutter einer kleinen Tochter sei sie froh, sich die Zeiten auch in der Ausbildung frei einteilen zu können. "Manchmal komme ich auch abends oder am Wochenende rein", sagt sie. Der Campus in Paris hat rund um die Uhr, sieben Tage die Woche geöffnet.

Bewusst wolle man bei 42 nicht nur junge und privilegierte Männer ansprechen, sagt Viger. In Paris lag der Frauenanteil im Vorjahr bei rund einem Drittel – Vigers Ziel sind 50 Prozent an allen Standorten. "Wir wollen das Stereotyp des 'Geeks' in der IT abbauen und gleichzeitig mehr Frauen Zugang zu den Jobs der Zukunft bieten." (Anika Dang aus Paris, 25.5.2022)