Die Regierung müsse einen "Rettungsschirm" über Armutsbetroffene spannen, sagte Klaus Schwertner von der Caritas Wien.

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Wien – Die Inflation schlage bei den Ärmsten bereits voll durch: Davor warnte am Freitag die Caritas bei einer Pressekonferenz in der Lebensmittelausgabestelle der Pfarre Alt-Ottakring in Wien. Die Anfragen in der Sozialberatung seien gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent gestiegen. "Die Inflation schlägt nicht nur einmal zu, sondern jeden Tag. Wir brauchen Maßnahmen, die langfristig wirken", sagte Caritas-Präsident Michael Landau.

Konkret fordert die Caritas eine Reform der Sozialhilfe und des Familienbonus und eine jährliche Valorisierung von Sozialleistungen, also eine Anpassung an die Teuerungsrate. Zusätzlich will die Caritas eine Arbeitsmarktreform, die die Menschen besserstelle und nicht schlechter. Die Nettoersatzrate solle dauerhaft auf ein existenzsicherndes Niveau erhöht werden. Das Geld sei angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen aufgrund der Inflation vorhanden, betonte Landau. Österreich könne und müsse sich einen funktionierenden Sozialstaat leisten.

Lebensmittelausgabe von 17 auf 24 Tonnen gestiegen

Besondere Kritik übte Landau daran, dass Gutverdiener vom Familienbonus am meisten und arme Familien am wenigsten profitieren. Das sei eine Ungerechtigkeit und solle geändert werden, verlangte er.

Klaus Schwertner, geschäftsführender Caritas-Direktor der Erzdiözese Wien, berichtete, dass den Armutsbetroffenen nach Abzug der Fixkosten 7,5 Euro pro Tag blieben. "Man kann sich gar nicht vorstellen, was das bedeutet." Die Teuerungen seien "bei den Menschen voll angekommen", aber viele schämten sich und warteten oft zu lange, bevor sie um Hilfe bitten. Die Inflation sei so hoch wie seit 1981 nicht mehr, und das wirke sich bei den Ärmsten als Erstes aus. Habe die Caritas 2021 noch 17 Tonnen Lebensmittel pro Woche ausgegeben, so seien es jetzt 24 Tonnen. Auch Schwertner appellierte an die Regierung, "einen Rettungsschirm" über Armutsbetroffene zu spannen.

Doris Anzengruber, Leiterin der Sozialberatung Wien, sprach von einer alarmierenden Entwicklung. Viele Menschen müssten sich täglich fragen, ob sie Essen kaufen, die Stromrechnung zahlen oder dringend benötigte Kleidung für ihre Kinder kaufen. Vor allem die steigenden Energiepreise machten den Betroffenen zu schaffen, Klienten berichten demnach, dass sie 30 bis 40 Euro pro Monat mehr zahlen müssten. Das sei für viele nicht leistbar. (APA, 20.5.2022).