Bild nicht mehr verfügbar.

Trotz Triebwerksproblemen gelang der Start des CST-100-Starliners des Luft- und Raumfahrtunternehmens Boeing.
Foto: Joel Kowsky / NASA via AP

Raketen-Rosies Flug hat es gerichtet: Die Schaufensterpuppe ist im Kommandositz jener Starliner-Raumkapsel platziert, die erstmals erfolgreich zur Internationalen Raumstation (ISS) geschickt wurde. In Vertretung einer lebendigen Crew sollte der Dummy an der Spitze der Atlas-V-Rakete beweisen, dass auch der US-Konzern Boeing sichere Weltraumflüge anbietet und damit in Konkurrenz zu anderen kommerziellen Anbietern wie Space X treten kann. Elon Musks Firma war und ist bereits für etliche Flüge ins All zuständig.

Dummy "Rosie the Rocketeer" in Startposition.

Nun ist die Mission allem Anschein nach geglückt. In der Nacht auf Freitag zentraleuropäischer Zeit hob die Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida ab, rund 24 Stunden später – gegen halb drei Uhr am Samstagmorgen – dockte das wiederverwertbare Raumschiff an der ISS an. Gute Nachrichten für Boeing, das im Jahr 2020 dem Umsatz nach der zweitgrößte Hersteller von Luft- und Raumfahrttechnik hinter dem US-Unternehmen Lockheed Martin war.

Durchwachsene Geschichte

Die guten Nachrichten waren nach den Problemen in den vergangenen Jahre dringend nötig. Der erste Versuch im Jahr 2019 verlief katastrophal: Die ISS konnte nicht erreicht werden, weil ein Programmierungsfehler dafür sorgte, dass die Triebwerke zur Ansteuerung der richtigen Umlaufbahn nicht eingeschaltet wurden. Stattdessen musste man die vorzeitige Rückkehr zur Erde einleiten – ein weiterer Softwarefehler hätte fast für einen Absturz gesorgt, doch letztlich wurde die Kapsel zum White Sands Space Harbor im US-Staat New Mexico manövriert.

2021 hätte ein weiterer Testflug stattfinden sollen. Dieser wurde jedoch kurzfristig abgesagt, technische Probleme sorgten dafür, dass nicht alle Kriterien für eine sichere Mission erfüllt waren. Das Unternehmen gab sich trotz der Rückschläge optimistisch: "Wir müssen scheitern, um Erfolg zu haben", sagte Boeing-Produktionsmanager Gregory Ffolkes. Gleichzeitig stieg die Erfolgskurve der Konkurrenz Space X steil an: Mit deren Crew-Dragon-Missionen wurden im Auftrag der US-Weltraumbehörde Nasa bereits sechsmal Menschen zur ISS gebracht, zuletzt war Ende April auch die Esa-Astronautin Samantha Cristoforetti an Bord.

Diversifizierung bei der Nasa

Bisher muss sich die Nasa neben Space X hauptsächlich auf russische Sojus-Transporte – wie im März bei der Rückreise von Mark Vande Hei mit zwei russischen Kollegen – verlassen. Um hier unabhängiger zu werden, sei der Start des CST-100-Starliners "ein entscheidender Schritt", sagt Dana Weigel, stellvertretende Direktorin des ISS-Programms der Nasa. Damit gäbe es wohl bald zwei US-amerikanische Anbieterfirmen, "die regelmäßig Besatzungen transportieren". Ende 2022 will Boeing den ersten Flug mit Crew starten und damit die Nasa-Zulassung unter Dach und Fach bringen.

Es bleibt spannend, ob bei diesem Flug alles glatt laufen wird. Schon bei der aktuellen Reise zur ISS gab es ein paar Stolpersteine: Nach dem Start zündeten nur zwei der vier Triebwerke, die dafür vorgesehen waren, die korrekte Umlaufbahn anzusteuern. Warum das passierte, wird noch analysiert. Der Einsatz von Ersatztriebwerken ermöglichte es dennoch, die Kapsel auf den richtigen Weg zu bringen.

Glück und Pech

Für Spott sorgte auch ein Video des Transports der Kapsel zur Abschussrampe, bei dem sich offensichtlich ein Teil löste. Boeing meldete zwar, dass es sich nur um eine Schutzabdeckung eines Fensters gehandelt habe, doch angesichts der bisherigen Probleme scheint jede Negativmeldung am Ruf des Luftfahrtunternehmens mit Weltallambitionen zu kratzen.

Umso erleichternder ist also die Meldung, dass das Raumschiff dennoch an der ISS angedockt ist. An Bord ist nicht nur Rosie, die über rund 15 Sensoren Informationen über die Kräfte lieferte, die auch auf Astronautinnen und Astronauten in der Kapsel wirken würden. Mit dabei sind ungefähr 230 Kilogramm Fracht für die Raumstation, in erster Linie handelt es sich um Nahrung. Ein paar Stunden nach dem Andocken darf die aktuelle Besatzung der ISS sich ans Auspacken machen und die Kapsel für die Rückkehr zur Erde in einigen Tagen beladen.

Angelehnt an das feministische und patriotische Symbol "Rosie the Riveter" wurde die Schaufensterpuppe in der Raumkapsel gestaltet.
Bild: APA/AFP/US National Archives

Vielleicht ist Rosie, die zurückhaltende Chauffeurin, ein Symbol für das Ende der Starliner-Pechsträhne. Immerhin ist sie angelehnt an "Rosie the Riveter", die Allegorie der tatkräftigen US-Arbeiterin, die in Blaumann und rotweißem Kopftuch durch Plakatkunst berühmt wurde – unter der Aufschrift "We Can Do It!". (sic, 21.5.2022)