Karl Mahrer erhielt bei seiner offiziellen Kür zum Wiener ÖVP-Chef 94,21 Prozent der Stimmen. Er ist damit auch offiziell Nachfolger des Ende des Vorjahres zurückgetretenen Gernot Blümel.

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In einer Eishalle kann es im Sommer ganz schön heiß sein. Die Delegierten und ÖVP-Sympathisanten beim Landesparteitag der Türkisen kamen am Freitagnachmittag in der Wiener Steffl-Arena in Kagran – dort, wo normalerweise die Eishackler der Vienna Capitals heimisch sind – jedenfalls ganz schön ins Schwitzen. Vielleicht wurde auch angesichts der hohen Energiepreise ökonomisch gedacht und die Klimaanlage zurückgefahren.

Der Hitze war es aber nicht geschuldet, dass beim 37. ÖVP-Landesparteitag vor der offiziellen Kür des designierten Obmanns Karl Mahrer zum neuen Chef der Landespartei der türkise Slogan "Die neue Volkspartei – Wien" immer mehr verschwand. Er wurde von "Die Wiener Volkspartei" ersetzt.

Mahrer wurde von den teils durchgeschwitzten Delegierten jedenfalls mit 94,21 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Gernot Blümel gekürt, der Ende des Vorjahres die politische Bühne verlassen hatte. Seit Anfang Dezember ist Mahrer bereits designierter Nachfolger, nun ist der 67-Jährige auch offiziell der 19. Obmann der Landespartei.

Blümel hatte bei seiner Wiederwahl im Februar 2020 zuletzt 96,8 Prozent erreicht. Auch die 100 Prozent von Bundeskanzler Karl Nehammer bei der Wahl zum Bundesparteichef waren für Mahrer am Freitag außer Reichweite.

"In Demut und Dankbarkeit und mit leicht heiserer Stimme nehme ich die Wahl an", sagte Mahrer nach seiner offiziellen Kür. "Ich freue mich."

Neue Leute, neues Logo: "Die neue Volkspartei – Wien" wurde von "Die Wiener Volkspartei" ersetzt.
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"Zwei Lieben meines Lebens"

Mahrer nahm auf den neuen Slogan "Die Wiener Volkspartei" zuvor in seiner Rede vor den rund 500 Delegierten und etwa 500 weiteren Besuchern in der Halle mehrmals Bezug. Er fragte rhetorisch in den Raum, warum man sich Politik in der heutigen Zeit noch antue. "In einer Zeit politischer Intrigen, in einer Zeit, wo Politikerinnen und Politiker andere Politiker unter der Gürtellinie schlagen, anstatt gemeinsam Lösungen zu finden." Die Antwort sei: "Liebe." Er erwähnte "zwei Lieben meines Lebens". Die eine sei seine Frau Christine. "Die zweite Liebe meines Lebens, die seid ihr alle." Er sei der Wiener Volkspartei seit 45 Jahren treu verbunden.

Weniger lieb fuhr Mahrer dann fort – und äußerte etwa heftige Kritik an der regierenden Wiener SPÖ. Diese sei "leider arrogant geworden und abgehoben". Die SPÖ stelle das Rathaus in den Mittelpunkt, die ÖVP den Menschen. Kritik gab es etwa an der MA 48, die in ihrem Museum 38 Oldtimer, darunter einen Hubschrauber und ein Militärflugzeug, horten würde. "Das ist eigentlich unfassbar."

Die Volkspartei bezeichnete Mahrer als "wahre Grätzlpartei". Die 248 Bezirksrätinnen und Bezirksräte der Türkisen seien nunmehr persönliche Ansprechpartner für ein bestimmtes Grätzl. Das macht nach Adam Riese übrigens mehr als 8.000 Anrainerinnen und Anrainer pro neuen "Grätzlbezirksrat" aus. Hier gebe es aber auch für die Türkisen noch Aufholbedarf: Man müsse noch näher zu den Menschen kommen.

133 Follower auf Twitter

Weniger wichtig dürfte es das Team Mahrer stattdessen mit Social Media nehmen: Der neue Twitter-Account von Karl Mahrer, der am Donnerstag aktiviert wurde, hatte am Freitagnachmittag zum Zeitpunkt seiner Wahl 133 Follower. Mahrer selbst folgte genau einem Account: jenem der Wiener Volkspartei. Der praktisch stillgelegte Account von Blümel – er wird dort noch als "Landesparteiobmann neue Volkspartei Wien" geführt – hat knapp 14.000 Follower.

Integration und Sicherheit als Kernthemen

Inhaltlich setzte Mahrer dann vor allem auf die türkisen Kernthemen Integration und Sicherheit. Die fehlenden Sprachkenntnisse von Zuwanderern und deren Kindern in Wien seien evident. Dass 60 Prozent der außerordentlichen Schüler in Wiens Volksschulen in Österreich geboren sind und zuvor länger im Kindergarten waren, bezeichnete Mahrer auch als Versagen der Stadtregierung. Neben der Sprache müssten auch die Werte eingefordert werden: Wer in Wien oder Österreich leben wolle, müsse die "geltenden Werte" akzeptieren.

Mahrer war zuvor auch Landespolizeivizepräsident und zuletzt Sicherheitssprecher der ÖVP im Nationalrat. Er wechselte erst im Dezember nach dem Rücktritt von Gernot Blümel als nichtamtsführender Stadtrat und designierter Landesparteichef nach Wien.

Applaus von Kanzler Nehammer. Er wurde erst am vergangenen Samstag zum ÖVP-Obmann gewählt – mit 100 Prozent der Stimmen.
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Emotionaler Blick zurück

Zunächst gab es beim türkisen Landesparteitag aber einen emotionalen Blick zurück. Gernot Blümel, der Ende des Vorjahres als Finanzminister und ÖVP-Wien-Chef zurücktrat, wurde mit lautem Applaus in der einstigen Albert-Schultz-Halle begrüßt. Eine Rede gab es von Blümel nicht. Dafür sang der neue türkise Parteimanager Markus Keschmann von der Bühne aus ein Loblied auf den Mahrer-Vorgänger im Zuschauerraum, der die Wiener ÖVP bei der Wahl 2020 von einer Neun-Prozent-Partei über 20 Prozent geführt hatte. Die Partei stehe weiter hinter Blümel. "Weil wir empört sind, wenn dir Unrecht getan wird", sagte Keschmann – und verwies damit indirekt auf die Ermittlungen gegen Blümel, die fast alle eingestellt wurden.

Gernot Blümel mit Karl Mahrer.
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"Großes Danke" von Nehammer an Blümel

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach Blümel auf der Bühne ein "großes Danke" aus und bezeichnete ihn als "herausragenden Finanzminister und besonderen Menschen". Seinen Nachfolger Mahrer bezeichnete Nehammer als "herausragenden Verhandler" und erinnerte daran, dass Mahrer mit den Grünen auch das Regierungsprogramm im Bereich Sicherheit mitverhandelt habe.

Sechs statt drei Stellvertreterinnen

Mit Mahrer an der ÖVP-Spitze gibt es künftig nicht mehr drei, sondern gleich sechs Stellvertreterinnen und Stellvertreter. Statt auf schlanke Strukturen setzt Mahrer auf eine breite Einbindung der verschiedenen Bünde und Interessengruppen innerhalb der Partei. Mit dem Umbau ist auch eine gröbere Rochade verbunden: Vom alten Blümel-Team ist nur noch Margarete Kriz-Zwittkovits, Gemeinderätin und Wirtschaftskammer-Vizepräsidentin, mit dabei.

Neu als Partei-Vize sind Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec sowie der Standortanwalt in der Wirtschaftskammer, Alexander Biach. Dazu kommen die Gemeinderätinnen Caroline Hungerländer und Elisabeth Olischar sowie Gemeinderat Harald Zierfuß, er ist auch Chef der Jungen Volkspartei.

Mahrer als Verdächtiger geführt

Heiß ging es übrigens schon vor dem Parteitag her. Da wurde kurz vor der Wahl von Karl Mahrer zum neuen Chef der Wiener Landespartei bekannt, dass gegen den ÖVP-Politiker in der Causa Wienwert ermittelt wird – DER STANDARD berichtete. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt Mahrer als Verdächtigten, eine erste Einvernahme soll laut Mahrer im Juni über die Bühne gehen. Der Anfang 2018 pleitegegangene Immobilienentwickler Wienwert soll von Juli 2017 bis Jänner 2018 monatlich 10.000 Euro an Mahrers Ehefrau überwiesen haben, die WKStA zweifelt konkrete Gegenleistungen dafür an. In Mails der Wienwert soll auch die Rede davon gewesen sein, dass "Karls Honorar halbiert" werden soll. Mahrer weist die Anschuldigungen vollinhaltlich zurück. (David Krutzler, 20.5.2022)