Wie anstrengend es manchmal ist, Kinder zu haben, kann man sich vorher kaum vorstellen – man weiß es erst, wenn man es selbst erlebt hat. "Es ist etwas anderes, Bücher darüber zu lesen oder die Berichte erfahrener Eltern zu hören – und stündlich aufzustehen, um Fläschchen zu machen und im Wohnzimmer mit dem Tragetuch im Kreis zu gehen", sagt Johannes Godler, der Vater von drei Kindern ist und sich gerade in Karenz befindet. Obwohl Elternsein zugleich auch eine unvergleichlich schöne Erfahrung sei, werde es allzu oft idealisiert – etwa auf Instagram.

Lisa Martha Janka, Mutter einer Tochter, ist überzeugt, dass der Druck auf Eltern immer mehr steigt. Zu tun habe das auch mit der Herausforderung, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bekommen. Dabei könne man "eigentlich nur verlieren, weil man immer auf einer Seite Kompromisse machen muss", sagt Janka, die sich beim feministischen Frauennetzwerk Sorority für Familienthemen engagiert.

Neben der Mehrfachbelastung sei auch die fehlende Hilfe etwas, das vielen Eltern heute zu schaffen macht, sagt Hans-Otto Thomashoff, Psychiater und Psychoanalytiker. "Wir haben immer in Horden gelebt, es waren immer Verwandte da. Heute sind Paare oft alleine, und das macht sehr viel Stress." Dazu komme "der Drang zu einem gewissen Perfektionismus". Der Autor mehrerer Erziehungsbücher beobachtet, dass Mütter und Väter ihr Leben zunehmend auf ihre Kinder ausrichten. Das hält er für falsch. Es sei nicht schädlich, sondern im Gegenteil sehr förderlich, wenn Kinder sich auch einmal mit sich selbst beschäftigen müssen. "Eltern sind ja nicht die Erfüllungsgehilfen ihrer Kinder. Es ist okay zu sagen: Wir brauchen auch einmal Zeit für uns."

Was Eltern noch tun können, um nicht auszubrennen und das Leben mit Kindern wieder mehr zu genießen, war Thema der aktuellen Videodiskussion "STANDARD mitreden". (red, 6.6.2022)