In Zeiten der Klimakrise wird der Bahnverkehr immer wichtiger. Schließlich gilt er als umweltfreundlicher als der Flug- und Schiffsverkehr. Auch beim Thema Warentransport ist das Umlegen auf die Schiene nachhaltiger. Für den internationalen Gütertransport ist jedoch ein entsprechendes Netzwerk notwendig, um die Waren auch dementsprechend in ganz Europa umschlagen zu können. Als Knotenpunkt des internationalen Bahnverkehrs gilt der unscheinbare Ort Gramatneusiedl im Südosten von Wien. Gramatneusiedl kennen viele sonst nur aufgrund der weltberühmten Marienthal-Studie. Doch dort kreuzen sich die wichtigen Nord-Süd- und West-Ost-Verbindungen.

Nun will die ÖBB bis 2024 um rund 80 Millionen Euro den dortigen Bahnhof ausbauen, um den Personen- und Güterverkehr reibungsloser zu gestalten. Vor dem millionenschweren Bauvorhaben wurde aber noch ein anderes Großprojekt in Gramatneusiedl forciert und binnen 14 Monaten Bauzeit umgesetzt: eine riesige Wartungshalle für Lokomotiven. Kostenpunkt: rund zehn Millionen Euro.

Die Halle ist rund 1.200 Quadratmeter groß, verfügt über diverse Dacharbeitsbühnen und einen Deckenkran.
Foto: Max Stepan

Im Großraum Wien sind die Wartungskapazitäten für Güterlokomotiven knapp bemessen, deshalb stellt die Errichtung der Halle in Gramatneusiedl einen notwendigen Ausbau der Servicemöglichkeiten rund um die Bundeshauptstadt dar. In der Halle werden kurze Service-Arbeiten für Loks durchgeführt, die maximal einen Tag dauern sollen. Im Gegensatz dazu gibt es die schwere Instandhaltung, die am neuen Standort in Niederösterreich aber nicht durchgeführt wird. "In Gramatneusiedl sind schnelle Services vorgesehen, die unseren Kunden eine rasche Weiterfahrt ermöglichen sollen", erklärt Sandra Gott-Karlbauer, Geschäftsführerin der Technischen Services der ÖBB.

Alle 30.000 Kilometer ist es für eine Lokomotive notwendig, eine Servicewartung durchzuführen, vergleichbar mit einem Pkw. "Die neue Halle wird deshalb das Servicenetzwerk nachhaltig ausbauen", fügt Gott-Karlbauer hinzu. Unter die durchgeführten Arbeiten fallen etwa die Wartung der Schleifleisten und der Flüssigkeits- und Filtertausch.

Gramatneusiedl als europäischer Knotenpunkt

Betrieben wird die Halle neben der ÖBB von Logistics & Transport Europe (LTE) und European Locomotive Leasing (ELL), die sich gemeinsam zu einem Joint Venture mit dem Namen Locmasta zusammengeschlossen haben. In Zukunft sollen Lokomotiven verschiedener Unternehmen aus insgesamt 19 Ländern gewartet werden, die auf der Durchfahrt durch Europa ein Service benötigen. "Der ausgewählte Standort ist ein Knotenpunkt des europäischen Güterverkehrs. Dementsprechend wird die Halle auch intensiv genutzt werden", ist ELL-Geschäftsführer Christoph Katzensteiner überzeugt.

ELL-Geschäftsführer Christoph Katzensteiner und Geschäftsführerin der Technischen Services der ÖBB, Sandra Gott-Karlbauer, betonten die Wichtigkeit des Güterverkehrs.
Foto: Max Stepan

Der einzige Wermutstropfen: Derzeit lassen sich noch nicht genug notwendige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden. Das sei dem allgemeinen Fachkräftemangel in Österreich geschuldet, erklärt LTE-Geschäftsführer Mandl: "Wir suchen intensiv nach Personen, die in der Halle arbeiten können. Es gibt aber schlichtweg zu wenig Fachkräfte." Mit dem Start des Betriebs sind aktuell 14 Personen beschäftigt, die Personenzahl soll im Laufe der Zeit auf etwa 36 anwachsen.

Froh über die neu geschaffenen Arbeitsplätze ist jedenfalls Gramatneusiedls Bürgermeister Thomas Schwab (SPÖ). Jobs im Heimatort seien ohnehin eine Rarität: "Jeder Zuzug eines großen Unternehmens ist ein Gewinn für die Bevölkerung und die Gemeinde." Zudem kann die Kommune mit erhöhten Einkünften rechnen, denn durch die Einnahme von Kommunalabgaben fließt auch mehr Geld in die Gemeindekassa.

Die Wartungshalle befindet sich direkt am Gelände des Gramatneusiedler Bahnhofes.
Foto: Max Stepan

Von außen recht unscheinbar, lassen sich die Dimensionen der Werkstätte erst in der Halle selbst erkennen: Die Arbeitsfläche misst rund 1.200 Quadratmeter, besitzt einen Hallenkran und zwei Dacharbeitsbühnen. Zwei Gleise führen in die Werkstätte und besitzen Arbeitsgruben, in denen die Facharbeiterinnen und Facharbeiter auch unter der Lok schrauben können. Mit einer Hebeanlage können sogar Lokomotiven angehoben werden, die rund 100 Tonnen auf die Waage bringen. Zusätzlich verfügt das Gebäude über diverse Schulungs- und Meetingräume. In Zukunft sollen auch Personen am Standort weitergebildet werden. (Max Stepan, 21.5.2022)